Santo Antao - Cabo Verde

Santo Antão - Kap Verde

Cabo Verde


Nach der spanischen Schneewanderung im Vorjahr, will ich es 2019 wieder einmal schön warm haben im Urlaub und aus irgendeinem Grund, geht mir Cap Verde nicht mehr aus dem Kopf. Dabei weiß ich gar nicht mehr, wie ich darauf gekommen war. Meine Schwester Claudia hat mal wieder die gleiche Idee und so starten wir Mitte 2018 mit der Planung.


Zunächst machen wir uns schlau über das Land, in das wir reisen wollen. Wir wissen außer dem Namen nämlich so gut wie nichts darüber.


Die Kapverdischen Inseln wurden 1456 von den Portugiesen entdeckt und als völlig unbewohnt beschrieben. Die Erkundung der Inseln wurde dem Seefahrer Diego Afonso übertragen, der die einzelnen Inseln nach den Tagesheiligen des jeweiligen Entdeckungsdatums benannte: São Vicente, São Nicolão, Santiago und Santo Antão. Diese bilden zusammen mit Fogo und Brava den westlichen Archipel mit zerklüfteten Gebirgszügen, grünen Tälern und Vulkanen. Der östliche Archipel wird von den Inseln Sal, Boavista und Majo gebildet, auf denen trockene, flache Wüstenlandschaften und weite Sandstrände vorherrschen.


Das kapverdische Volk ist aus vielen unterschiedlichen Ethnien zusammengewürfelt. Aus dem ehemaligen Umschlagplatz für afrikanische Sklaven, Exil portugiesischer Häftlinge und Zufluchtsort religiös Verfolgter wurde eine völlig neue kreolische Kultur geboren. Nicht selten trifft man auf den Kapverden dunkelhäutige Kinder mit blonden Haaren und blauen Augen.


Die Kapverden findet man ca. 5000 km von Deutschland entfernt, mitten im Atlantik, auf der Höhe von Senegal. Die Inseln gehören zusammen mit den Kanaren und Madeira zur Gruppe Makaronesien, was „Inseln der Glückseligkeit“ bedeutet. Die Amtssprache ist Portugiesisch, die Umgangssprache Kreol, das von Insel zu Insel variiert.

 

So, nun wissen wir also, wo die Kapverdischen Inseln zu finden sind. Müssen wir nur noch herausfinden, auf welcher der Inseln wir unseren Urlaub verbringen wollen. Der östliche Archipel ist mehr was für Strandbesucher. Außerdem besteht dort die Gefahr, sich mit Malaria zu infizieren. Vor allem auf der Insel Sal.


Ich will aber wandern. So entscheide ich mich für die Insel Santo Antão, die als DIE Wanderinsel angepriesen wird, und Claudia zieht mit. Dort wird als Gesundheitsvorkehrung lediglich die Hepatitis-Impfung empfohlen. Ende Januar 2019 soll es losgehen! Ich lasse mich also impfen und besorge mir ausreichend Info-Material über Wanderungen auf der Insel. Mir schwebt von Anfang an eine Insel-Umrundung vor und ich buche über ein Buchungsportal vor Ort diverse Übernachtungen im Norden der Insel. Auf die Antwort muss ich teilweise bis zu drei Monate warten, da man dort nur eine Internet-Verbindung hat, wenn man zufällig in einer Stadt im Süden oder Osten zu tun hat und sich dort ein WLAN-Hotspot befindet.


Kaum steht die Tour fest, melden sich meine Fußprobleme zurück. Und diesmal ist es definitiv kein Fersensporn, sondern eine offensichtlich angeborene Sehnenschwäche, die bis dato unerkannt geblieben war. Das linke Sprunggelenk ist instabil und mein Orthopäde schickt mich Mitte September nach München in die Schön-Klinik, wo man mir erklärt, dass eine Operation unausweichlich wäre. Ich erfahre dabei auch, dass ich nach der OP den Fuß acht Wochen lang nicht werde belasten dürfen. Das passt, ich habe ja noch vier Monate Zeit bis zur Abreise. Allerdings sagt die Ärztin, sie hätten aktuell eine Wartezeit von zwei bis drei Monaten. Das passt dann nicht mehr!


Doch manchmal hat der Mensch auch Glück, denn bereits vier Tage später wird ein Termin frei, weil der Patient, der diesen Termin innehatte, an Grippe erkrankt ist und man in der Schön-Klinik niemanden operiert, der auch nur einen leichten Schnupfen hat.


Ich bemühte mich dann vier Tage später sehr, meinen leichten Schnupfen mit ausreichend Nasentropfen zu unterdrücken und kann nach vier weiteren Tagen, am 4.Oktober 2018, die Klinik auf Krücken und mit einem dicken Air-Cast-Schuh am Fuß verlassen. Bereits nach zwei Tagen beginne ich mit leichter Krankengymnastik und Lymphdrainage. Anfang Dezember kommt der Air-Cast-Schuh ab und die Krankengymnastik besteht während der nächsten sechs Wochen hauptsächlich aus Balance-Übungen auf dem Wackelbrett und der Slackline. Zwei Wochen vor dem Abflug kann ich wieder normal laufen.


Während meines Krankenstandes habe ich genug Zeit zum Nachdenken und bin zu der Ansicht gelangt, dass eine Insel-Umrundung auf eigene Faust keine gute Idee ist. Schon gar nicht nach einer solchen OP. Zudem hat meine Schwester Bedenken, ob ihr eine solche überhaupt gefallen wird. Sie hat bereits den Vorschlag gemacht, so weit mitzugehen, wie es für sie noch okay ist, sich dann aber irgendwo ein Hotelzimmer zu suchen. Wenn ich aber mit einem Familienmitglied oder einer Freundin, was in unserem Fall ja aufs Gleiche hinauskommt, zusammen in den Urlaub fahre, dann verbringen wir die Zeit auch weitgehend gemeinsam. Die Insel kann man in mehrere Zonen aufteilen: Die Berge und Vulkankrater beginnen im Zentrum der Insel und fallen nach Süden zur eher reizlosen Gegend um den Hauptort Porto Novo hin ab. Nach Osten gelangt man in den Gemüsegarten der Insel, in das Paúl-Tal. Im Westen ist es am trockensten. Dort findet man die größeren Vulkane mit wüstenähnlicher Umgebung, sowie den einzigen Strandabschnitt der Insel, an dem man baden kann. Der Norden ist prädestiniert für längere Wanderungen, die man aber nicht allein in Angriff nehmen, sondern sich einen Guide suchen soll. Zumindest, wenn man das erste Mal auf Santo Antão ist.


Die Übernachtungen im Norden werden also wieder storniert und ich mache mich erneut auf die Suche nach Unterkünften bzw. Urlaubsangeboten auf Cabo Verde bzw. speziell auf Santo Antão. Und ich werde fündig! Meine Ansprechpartner sind in den nächsten Wochen Diane und Marcus vom „Haus am Weg“ auf Santo Antão. Ich bin im Internet auf die beiden gestoßen, die im Norden der Insel eine Art Pension betreiben und diverse Urlaubs- und Aktivitäts-Bausteine anbieten, aus denen man sich seinen Wunschurlaub basteln kann.


Ich beginne also zu basteln!



30. Januar 2019


Um 14 Uhr fährt mein Mann Schos mich im BMW seiner Tochter zum Bahnhof, nachdem ich letzte Woche noch schnell unser Auto schrottreif gefahren habe. 14:30 Uhr geht mein Zug nach München Ost und mit der S8 weiter nach Hallbergmoos, wo ich mich mit Claudia verabredet habe. Bis sie eine knappe halbe Stunde später mit dem Auto aus Würzburg eintrifft, bin ich bereits halb erfroren. Wir bringen unser Gepäck ins Hotel Ibis, trinken dort einen Kaffee und geben schließlich das Auto im Park-Service ab. Dabei erhalten wir einen recht guten Tipp fürs Abendessen in einer Pizzeria im Industriegebiet.


Um 20 Uhr liegen wir beide bereits seit einer guten Weile im Bett, doch ich kann lange nicht einschlafen. Zweimal wache ich außerdem in der Nacht auf, weil Claudia erkältungsbedingt laut schnarcht. Ich selbst schnarche zwar auch, aber das stört mich weniger. Mir geht die Tour von 2007 durch den Kopf, als ich mit Martina durch die Picos de Europa wanderte und sie sich wegen einer Erkältung so sehr hatte quälen müssen.


Hoffentlich wird das bei Claudia nicht schlimmer!



31. Januar 2019


Um 03:15 klingelt der Wecker. Zwanzig Minuten später checken wir aus und gleich darauf kommt der Shuttle-Bus. Der Online-Check-In hatte nur bis Lissabon geklappt, weshalb wir am Schalter noch klären müssen, ob unser Gepäck bis São Vicente durchgecheckt wird. Wir werden in Lissabon nicht viel Zeit zum Umsteigen haben. Bereits 50 Minuten nach der Landung startet der Anschluss-Flieger nach São Vicente. Ich hatte schon überlegt, eine Nacht in Lissabon zu verbringen und erst am nächsten Tag weiterzufliegen, doch in allen Cabo-Verde-Portalen kann man lesen, dass diese Zeit locker ausreichen wird. Nun denn!


Unser Flieger startet mit 15 Minuten Verspätung und der Pilot kann während des Fluges diese Zeit nicht wieder aufholen. Kurz vor der Landung in Lissabon weise ich die Stewardess auf dieses knappe Zeitfenster hin und sie lässt uns ganz nach vorne an die Ausstiegstüre kommen, damit wir das Flugzeug als erste verlassen können. Dadurch stehen wir nun im Bus ganz hinten, warten ungeduldig, bis alle Passagiere in den Bussen sind und betreten das Flughafengebäude dann als letzte. Als wir endlich in der Ankunftshalle ankommen, ist uns bewusst, dass unser Gate für den Anschlussflug nun schon geschlossen sein müsste.


Wir werden dann auch gleich von zwei freundlichen Mädels abgefangen, die uns erklären, dass wir erst morgen weiterfliegen können. Wir erhalten diverse Gutscheine für Taxi, Hotel und Essen und werden zu McDonalds geschickt, bzw. zum Schalter dahinter. Frustriert machen wir uns auf den Weg. Als Claudia einfällt, dass wir gar nicht wissen, was mit unserem Gepäck passiert, ob wir das am Gepäckband holen müssen oder ob es gleich für morgen weitergereicht wird, drehen wir nochmal um und gehen zu den beiden Mädels zurück. Plötzlich heißt es, wir können doch noch in den Flieger. Wir müssen zu Gate 43A.


Eines der Mädel zeigt uns den Weg, soll heißen, sie rennt voraus und feuert uns an: „Go, go, go!“ Wir rennen hinterher bis zur Passkontrolle. Hier sind noch weitere Fluggäste, die mit uns im Flieger aus München waren, und die jetzt seelenruhig die Passkontrolle passieren. Ohne go-go-go! Aber vielleicht wollen die ja auch woanders hin. Die junge Frau, die uns begleitet, macht Druck. Wir sollen unsere Pässe auf den Scanner legen. Machen wir. Und der Scanner verweigert uns den Zutritt. Nun legt unsere Begleiterin unsere Pässe auf den Scanner – mit dem gleichen Resultat. Wir rennen weiter zum Kontrollschalter, drängeln uns vor und der nette Passkontrolleur lässt uns durch.


Hinter der Passkontrolle übernimmt uns ein junger Mann und sprintet sofort los – go-go-go – wie beim Staffellauf. Claudia geht inzwischen die Luft aus, ich laufe dagegen weiter, fest entschlossen, das Flugzeug aufzuhalten, bis Claudia auch da ist. Kurz vor dem Gate übernimmt uns wieder eine Frau. Am Gate heißt es dann auf deutsch: Nix geht mehr! Das Gate ist geschlossen!


Wir fragen, warum wir dann so rennen mussten und jetzt nicht weiterdürfen? Wir fragen, ob der Flieger schon weg ist. Nein, das System hat uns gecancelt. Zwei junge Leute, die nach uns ans Gate kommen, dürfen durch. Warum die und wir nicht? Weil das Portugiesen sind. Häh???


Nochmal: Warum wir nicht? Notfalls ohne Gepäck! Wir sind nicht mehr im System! Dann ist das System eben falsch! Wir wollen mit! Ich mache Anstalten, mich am Gate häuslich niederzulassen. Nun hat eine zweite Angestellte ein Einsehen und stellt uns zwei Boarding-Pässe aus. Evtl. kommt unser Gepäck wirklich nicht mit. Nun, das ist dann nicht unser Problem. Muss die Fluggesellschaft es eben in unsere Unterkunft liefern. Das kenne ich ja schon.


Wir passieren die neuerliche Kontrolle, gehen die Treppe hinunter, und da stehen noch alle Passagiere, die mit uns zusammen nach São Vicente fliegen wollen. Die Türen sind noch geschlossen, der Bus noch gar nicht da. Als dieser dann kommt, dürfen wir noch eine ganze Weile nicht einsteigen. Als wir dann endlich vor unserem Flieger stehen und warten bis wir die Treppe hochgehen dürfen, kommt noch ein Gepäck-Fahrzeug mit einem blauen Rucksack und einer schwarzen Tasche.


Mit etwas Glück ist das unser Zeug!


Mit einer Stunde Verspätung kommen wir auf São Vicente an – aber egal – wenigstens sind wir da. Beim Anflug drehen wir eine Schleife über einer der Inseln und der Anblick raubt mir beinahe den Atem. Es sieht aus, wie ein Faltenrock von gigantischen Ausmaßen. Berg und Tal reiht sich an Berg und Tal. Wie ein Faltplan, den man nicht ganz auseinandergefaltet hat.


Der Flugplatz ist sehr übersichtlich, die Start- und Landebahn beginnt direkt am Meer. Wir steigen aus, laufen die paar Meter bis zur Ankunftshalle und nehmen unser Gepäck in Empfang, das als eines der ersten vom Band läuft. Ich will unsere Euros deklarieren, so wie die kapverdische Regierung es vorschreibt, aber der Zöllner winkt uns durch.


Dann rekrutiert uns gleich ein Taxifahrer, der uns sogar zu einem Geldwechsler direkt am Flughafen bringt. Wir tauschen jede 1000 €, weil auf Santo Antão, anders als hier auf der Insel, nix mit Karte gezahlt werden kann. Auch die bereits gebuchten Übernachtungen nicht. Wir erhalten dafür je 105.000 Escudos (CVE) und ich rechne aus, dass wir nur 5€ Gebühr bezahlt haben, wo es mit der Kreditkarte in einer Bank in Mindelo 50€ gekostet hätte. Claudia lobt mich dafür. Später merke ich, dass ich mich verrechnet habe. Wir haben ja 5000 CVE an Gebühr bezahlt, nicht 500 CVE. Also doch 50 € Gebühr! Aber das sage ich Claudia nicht.


Dafür zahlen wir fürs Taxi nur 10 € bis zu unserer Unterkunft „Apart Hotel Avenida“. Der Taxifahrer sagt, mein Französisch hätte einen eigenartigen Akzent. Ich stelle richtig, dass ich Spanisch spreche, nicht Französisch. Daraufhin meint er, dann könnten wir uns aber nicht mehr weiter unterhalten, weil er kein Spanisch versteht. Nun, dann spreche ich eben weiterhin mein seltsames Französisch.


Wir machen uns frisch und brechen auf zur Besichtigung Mindelos, der Hauptstadt von Cabo Verde. Unser erster Weg führt uns zur Marina und zum Fährhafen, wo wir gleich unsere Tickets für die Fähre kaufen, die morgen früh um 08:00 Uhr nach Santo Antão ablegen wird.


Danach schlendern wir durch die Stadt, landen am Fischmarkt, wo leider bereits die letzten Waren weggeräumt werden. Gegenüber ist der Marktplatz, an dem alles angeboten wird, was zum täglichen Leben gehört. Claudia kauft Wasser, Gurken und Paprika. Wir besichtigen ein Atelier, wo Kunst aus altem Eisen ausgestellt wird, besuchen eine Kirche, trinken ein Bier in einer Bar und beobachten die Einheimischen bei ihrem regen Treiben.


Abends essen wir im Grillrestaurant „Nautilus“ in der Nähe der Marina. Ich entscheide mich für Oliven mit Ziegenkäse und Reis mit Meeresfrüchten. Claudia bestellt Bruschetta und Thunfisch mit Pommes und der Kellner versucht uns irgendetwas zu erklären. Er schüttelt immer wieder den Kopf und sagt „Wahoo, Wahoo“. Wir kommen irgendwie nicht zusammen, wir drei. Aber zumindest sagt er nicht „Wodoo“ und so nicken wir einfach und harren der Dinge, die da kommen werden. Als er nach der Vorspeise wieder kommt, bringt er mir einen ganzen Topf voll Reis mit Meeresfrüchten und Claudia bekommt ihren Fisch mit Pommes. Wo war da jetzt das Problem? Auf unseren fragenden Blick hin, deutet der Kellner auf den Fisch und sagt wieder „Wahoo“. Ich gebe das mal ins Smartphone ein und erhalte des Rätsels Lösung: Wahoo ist ein Fisch, ähnlich dem Thunfisch. Bier ist übrigens aus in diesem Restaurant, wodurch wir gezwungen sind, Rotwein zu trinken.



1. Feburar 2019


Zum Frühstück um 06:45 Uhr gibt’s Pulverkaffee. Der Rest ist allerdings sehr gut. 07:20 Uhr brechen wir zur Fähre auf und pünktlich um 08:00 Uhr legt diese ab. Unser Gepäck müssen wir abgeben, das verschwindet im Bauch des Schiffes. Die Überfahrt ist sehr windig, entsprechend hoch der Seegang. Viele Einheimische sind recht grün im Gesicht und füttern fleißig die Fische. Ein Seefahrer-Volk scheinen die Kapverder nicht zu sein. Wir bleiben standhaft, dank Reisetabletten und Ingwer-Kaugummi.


Von der Fähre aus haben wir einen ersten Eindruck von der Insel, für die wir uns entschieden haben, und ich ahne langsam, dass vor uns die Insel liegt, über der wir gestern vor der Landung die Schleife drehten.

 

Am Hafen werden wir von zwei Männern abgeholt, der eine ist der Taxifahrer, der andere ist ein Bote von Diane und Marcus, bei denen wir den ersten Teil unseres Urlaubs gebucht haben. Sie fragen, ob wir noch Wasser brauchen, denn wir werden heute gleich mit einer ausgedehnten Wanderung beginnen und Wasser ist das vorherrschende Thema der Kapverdischen Inseln. Das sollen wir während unseres Aufenthalts hier tag-täglich noch erfahren. Wenn man den Klimawandel irgendwo spürt, dann hier. Die Kap Verden liegen mitten in der Sahel-Zone.


Über die alte Passstraße geht’s in vielen Serpentinen hoch zum Cova-Krater. Unterwegs halten wir zwei- oder dreimal für einen Fotostopp. Wir durchqueren per Taxis praktisch fast die ganze Insel von Süd nach Nord und klettern dabei immer höher hinauf. Nebel hängt in den höheren Tälern, die vielen Gipfel ragen aus den Wolken. Es sind unglaublich schöne Aussichten, die wir da genießen können.


Als wir um 10:20 Uhr endgültig aussteigen nieselt es leicht und wir holen gleich die Regenjacken aus den Rucksäcken. Mir kommt kurz in den Sinn, dass ich mich doch eigentlich für Cap Verde entschieden habe, weil ich mal wieder in Sonne und Wärme unterwegs sein wollte. Aber vermutlich ist es nur der Nebel, der uns gerade nass werden lässt, oder die Passatwolken. Der junge Mann vom „Haus am Weg“ erklärt uns sehr genau den Weg, den wir gehen müssen. Und da ich kein Portugiesisch spreche, tut er dies auf Französisch. Das kann ich auch nicht! Aber ich habe ja die GPX-Daten auf dem Handy, da werden wir schon dort ankommen, wo man uns erwartet.


Wir wandern am Kraterrand entlang. Der Krater erscheint uns nicht recht tief und nach einer halben Stunde erreichen wir bereits dessen Grund. Hier wird überall Gemüse angebaut, auch Mais und Maniok. Es fahren Tanklaster zwischen den Feldern hindurch, die Wasser bringen. Wir durchqueren das Tal und steigen auf der anderen Seite wieder zum Kraterrand hinauf. Beim Aufstieg kommt uns eine Eselskarawane entgegen. Die Esel sind allesamt mit vollen Wasserfässern beladen. Eine französische Wandergruppe mit Guide überholt uns, zieht den kleinen Anstieg hinauf und verschwindet im Nebel. Als auch wir den Anstieg bewältigt haben und erneut am Kraterrand angekommen sind, windet sich vor uns der Weg nun in steilen Serpentinen über Treppenstufen talwärts. Wie weit es hier hinunter geht, können wir von oben nur erahnen, da das gesamte Tal in Nebel und Dunst liegt. Von der, in allen Büchern beschriebenen, grandiosen Aussicht über das Paúl Tal bekommen wir nichts mit. Um 12 Uhr lassen wir uns zur Mittagspause nieder und verspeisen die Gurke und die Paprika, die Claudia gestern in Mindelo gekauft hat. Der Weg wurde während der letzten paar hundert Meter wieder flacher und wir denken, dass wir das schlimmste hinter uns haben.


Nun, das, was von oben flacher wirkte, stellt sich als noch steiler heraus und langsam geht die Treppen-Kletterei ganz schön in die Knie und in die Oberschenkel. Das wird morgen ein Muskelkater! Weit unter uns sehen wir eine Hütte mit einem Schriftzug auf dem Dach und als wir 30 Minuten später dort ankommen, lassen wir uns bei der geschäftstüchtigen Bäuerin zu einer Tasse Kaffee und Kokostörtchen nieder. Außerdem stärken wir uns mit süßen, kleinen Bananen, die ihre Kinder uns verkaufen.



Kurze Zeit später erreichen wir das Dorf Chã de Manuel dos Santos und der eingezeichnete Pfad aus meiner GPX-Datei führt nicht durch das Dorf bergab, Richtung Meer, sondern auf der anderen Seite der Schlucht wieder steil bergauf durch Zuckerrohrfelder. Plötzlich merke ich, dass ich Claudia verloren habe. Ich warte ein paar Minuten und kehre dann um. Sie lehnt käseweiß an einer Wand und bekommt ganz offensichtlich nicht genügend Luft. Ich vermute, sie hat den starken Kaffee nicht vertragen und schlage vor, eine Pause zu machen. Doch sie winkt ab.


Ich versuche, mich anhand meines Handys zu orientieren. Vielleicht ist es einfacher und kürzer, wenn wir der Straße zum Meer hinunter folgen, anstatt auf Pfaden aus dieser Schlucht wieder aufzusteigen. Doch mein Handy scheint genauso irritiert zu sein wie ich. Die angezeigte Entfernung zu unserem Ziel wird immer länger, statt kürzer und ich merke, dass ich statt des verbleibenden Weges, den zurückgelegten Weg anzeigen lasse. Das wären demnach vier Kilometer – nicht gerade viel für die Zeit, die wir jetzt schon unterwegs sind. Aber eben vier Kilometer fast senkrecht die Wand hinunter.


Gemeinsam beschließen wir nun, umzukehren und auf der Pflasterstraße nach Vila das Bombas zu laufen. Dorthin wurde unser Gepäck gebracht, weil wir heute da übernachten werden. Im Dorf kommen wir an einer Bar vorbei und trinken erst einmal ein Bier. Claudia sieht völlig fertig aus. Als draußen ein Aluguer, also ein Sammelbus, hält, laufe ich hinaus und frage den Fahrer, ob er nochmal nach Vila das Bombas fährt. Da ich kein Portugiesisch kann und der Fahrer kein Deutsch oder Englisch, versuche ich es mit Spanisch und das haut einigermaßen hin. Der Fahrer bedeutet mir, dass er noch bis zum Ende des Hochtals fährt, dann umkehrt und wieder zurückfährt. Wir zahlen unser Bier und fahren kurzentschlossen mit. Unterwegs steigen etliche Leute zu und es wird eng im Bus. Außerdem wird Brennholz aufs Dach geladen, Gasflaschen und Eimer mit undefinierbarem Inhalt wandern in den Innenraum des Kleinbusses. Das meiste davon wird an diversen Haltestellen wenige Kilometer weiter wieder ausgeladen und einfach abgestellt.


Um 15 Uhr treffen wir in Vila das Bombas ein. Wir wissen inzwischen, dass wir von Chã de Manuel dos Santos aus noch acht Kilometer vor uns gehabt hätten und, dass es sehr wohl noch ziemlich steil abwärts gegangen wäre. In Vila das Bombas haben wir dann nochmals einen Kilometer an der Straße direkt am Meer langzulaufen, während die Wellen donnernd gegen die Ufermauer krachen und ihre Gischt über uns sprühen. Unser Hotel liegt neben dem Sportplatz, auf dem die Fußballer gerade trainieren.


In der „Black Mamba“ werden wir von Liane empfangen, einer temperamentvollen, rothaarigen Italienerin, die dieses Hippie-Hotel betreibt. Wir bekommen ein sehr schönes, sehr buntes Zimmer in diesem verschachtelten Gebäude, bei dem man manche Zimmer nur über Leitern erreicht. Wir gelangen zu unserem Zimmer zum Glück über eine ganz normale Treppe, die zur vorderen Dachterrasse und von da aus zu diversen Zimmern führt. Dusche und WC sind direkt im Zimmer und nur durch eine halbhohe Pendeltüre vom Zimmer abgetrennt. Claudia weist mich gleich an, dass ich das Zimmer zu verlassen habe, wenn sie aufs Klo muss. WLAN gibt es nur draußen auf der Terrasse und unten im Lokal. Und Liane hat offenbar einen Hass auf ihren Ex, denn das Passwort lautet: KILLBILL!


Nach dem Duschen schläft Claudia erst einmal eine gute Stunde und ich hole mir unten ein Bier, das es nur in Literflaschen gibt und deutlich stärker ist als unser Bier zuhause. Damit lasse ich mich auf der Terrasse nieder und beginne mit meinem Tagebuch. Als Claudia später zu mir kommt, um mir mit meiner großen Flasche Bier zu helfen, sieht sie schon wieder besser aus. Sie kann sich keinen Reim darauf machen, was sie am Nachmittag so aus den Latschen gekippt hat.


Den Abend lassen wir dann bei einer exquisiten Pizza, mit mindestens einem halben Kilo Belag drauf, und einer Flasche Weißwein ausklingen. Unser Zimmer hat keine Fenster, also ich meine, keine Glasscheiben in den Fensteröffnungen, und die eindringende salzige Luft, gepaart mit dem Meeresrauschen und den Strapazen des Abstiegs vom Vulkan, sorgt für einen erholsamen Schlaf in der Nacht.


(Das ist das Stichwort für mich, um mal kurz vorzugreifen, denn Claudia wird während unserer Wanderungen auf der Insel noch öfter Probleme mit der Luft haben. Mit dem erholsamen Schlaf ist das bei ihr nämlich nix. Ein Besuch bei ihrem Hausarzt nach unserer Rückkehrt bringt ans Licht, dass sie nachts Atemaussetzer hat, eine sogenannte Schlafapnoe, wodurch sie tagsüber nicht nur permanent müde ist, sondern eben auch unter Atemproblemen leidet. Doch das wussten wir damals noch nicht.)


2. Februar 2019


Das Frühstück um 07:30 Uhr auf der Dachterrasse lässt keine Wünsche offen. Es gibt Toast, Wurst, Käse, Kuchen, Obst, Joghurt-Creme und Papaya-Saft. Um 08:00 Uhr kommen unsere Gastgeber, Diane und Marcus vom „Haus am Weg“, um uns zu begrüßen. Marcus verabschiedet sich auch gleich wieder mit unserem Gepäck, fährt im Taxi zum Hafen nach Porto Novo und holt dort zwei weitere Gäste ab. Mit diesen wird er vom Cova Krater aus über Lagoa zu einer Wanderung nach Norden aufbrechen, während ihr und unser Gepäck ins „Haus am Weg“ gebracht wird. Diane wartet unten bei Liane auf uns und wir frühstücken noch in Ruhe weiter. Diane wird uns auf unserer heutigen Wanderung begleiten.


Wir fahren zunächst per Taxi in ein Tal weiter im Norden und steigen bei der Ortschaft Xôxô aus. Dort wird auf der Straße gerade ein Stier zerlegt, der offenbar kurz zuvor an Ort und Stelle geschlachtet wurde. Menschen kommen mit Schüsseln und Eimern die Straße herunter und holen Fleisch ab. Wir schauen ein Weilchen zu und laufen dann ein Stück an der Hauptstraße entlang, bis wir in einer Kehre auf einen Pfad abbiegen, der sofort steil nach oben führt. Als wir nach wenigen Minuten die Stelle unten im Tal sehen können, wo der Stier hing, ist von der Arbeit des Metzgers schon nichts mehr zu sehen.


Claudia hat Diane von ihren gestrigen Atemproblemen erzählt und erhält nun von ihr Tipps zu Atemtechniken, die ihr den vor uns liegenden Aufstieg erleichtern sollen. Wir gehen langsam und bleiben immer wieder stehen, um die Aussicht zu genießen. Unsere Tour führt uns über Pfade und Wege, teils mit Kopfsteinpflaster, teils auf Steinplatten, über kniehohe Stufen, Geröll und Sand, aber immerzu steil nach oben. Ich gehe meist voraus, weil Diane mit Claudia läuft und erst als Diane mal vorgeht, fällt mir auf, dass sie in Flip-Flops wandert. Ich finde mit meinen Wanderstiefeln manchmal schon nur schwerlich festen Halt!


In viereinhalb Stunden steigen wir über 1000 Hm. hinauf und nicht nur Claudia hat atemraubende Blicke ins Torre Tal und hoch zur alten Passstraße. Oben treffen wir immer wieder auf einzelne Bauernhäuser. Da gibt es Ziegen und Kühe, stets angebunden. Bauern arbeiten in ihren Terrassenfeldern. Dorthin führt keine Straße, nur Eselspfade. Uns kommen zwei Frauen entgegen, eine junge und eine schon sehr alte Frau. Beide tragen große Bündel Brennholz auf den Köpfen. Die jüngere Frau geht in Flip-Flops, wie Diane. Die alte Frau ist barfuß. So langsam schäme ich mich fast meiner teuren Wanderstiefel. Wir grüßen mit einem freundlichen Bon Día und werden augenblicklich in ein gestenreiches Gespräch verstrickt. Morabéza nennt man das hier! Ein Wort, das nicht nur Freundlichkeit, Gastfreundschaft und Lebenslust beschreibt. Eigentlich kein Wort, sondern ein Gefühl, ein Lebensstil!


Der Aufstieg ist verdammt hart für uns beide, die wir hinter Diane her hecheln. Immer wieder bleiben wir stehen, um zu Atem zu kommen und zu trinken. Claudia geht es heute deutlich besser, aber sie hat eine ihrer Trinkflaschen in der Black Mamba auf dem Tisch vergessen. Ich habe heftigen Muskelkater in den Oberschenkeln. Diane rennt dagegen förmlich in ihren Flip-Flops und mit ihrem Mini-Rucksack den Berg hinauf.


Oben sind wir dann wieder in den Passat-Wolken und es regnet sogar etwas. Drei bis maximal vier Stunden hatte Diane gesagt, würde der Aufstieg dauern. Gut, wir brauchen viereinhalb. Aber wir schaffen es und oben wartet ein Taxifahrer auf uns und sieht hämisch grinsend von einer Mauer auf uns herab, ebenso eine ganze Schar spöttisch lachender Kinder. Der Fahrer wartet schon eine ganze Stunde auf uns, sagt er, immer noch grinsend. Claudia bespritzt die Kinder mit Wasser aus ihrem Trinkbeutel und Diane läuft voraus und kauft in einem Straßenlokal drei Dosen Bier für uns und eine Flasche Cola für den Taxifahrer. Den bettelnden Kindern schenke ich meine Bananen, die ich vom Frühstück eingepackt hatte.


Als wir dann im Taxi wieder aufbrechen, steigen wir hinten auf die Ladefläche, auf der rechts und links Sitzbänke angebracht sind. Dazwischen liegt unser Gepäck. Die Fahrt geht über die alte Passstraße nach Delgadim. Dort ist man direkt auf dem Pass zwischen dem Torre Tal und dem Ribera Grande Tal. Die Straße ist nur wenige Meter breit, auf beiden Seiten gähnt der Abgrund. Der Blick von dort oben in die karge, gefältelte Bergwelt ringsum und die Täler und Abgründe dazwischen weckt Ehrfurcht in mir. Ehrfurcht vor der Natur und den Naturgewalten, die diese grandiose Landschaft geschaffen haben.

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Die Fahrt hinunter nach Ribera Grande, der Hauptstadt der Insel, ist abenteuerlich. Vor jeder Kurve hupt der Fahrer und fährt, wenn kein Gegenhupen ertönt, mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Es ist kalt, der Wind weht uns um die Ohren und wir werden nass. Zum Glück hat uns Diane vor der Abfahrt darauf hingewiesen, dass es besser ist, die Regenjacken anzuziehen. In Ribera Grande halten wir zur Pinkelpause an der Tankstelle. Der Fahrer lässt uns aussteigen und fährt weg, um Zement zu besorgen, wie uns Diane mitteilt. Danach holt er uns wieder ab und wir fahren weiter zu unserem Domizil für die nächsten Tage, dem "Haus am Weg“ im Garça-Tal. Unsere Füße ruhen jetzt auf Zementsäcken. In Coculí müssen wir anhalten, um eine Trauergesellschaft durchzulassen und eine alte Frau spricht Diane an und bittet um eine Mitfahrgelegenheit. Sie steigt vorn zum Fahrer und weiter geht die Fahrt.


In einem Seitental holen wir Marcus und die anderen beiden Gäste ab, die fast zeitgleich mit uns dort eintreffen. Die beiden sind ebenfalls Deutsche, Karin und Markus aus Aachen, und können sich, von der Wanderung verschwitzt, gar nicht denken, warum wir drei uns nach wie vor in unsere Regenjacken kuscheln. Sie holen dann aber ganz schnell ebenfalls ihre Jacken aus dem Gepäck, das neben dem unseren auf der Pritsche zu unseren Füßen liegt. Dick vermummt kommen wir gegen 16 Uhr im Garça-Tal an, das Diane das Elfen- und Feen-Tal nennt. Umrahmt von hohen, zerklüfteten Bergen, liegt dieses liebliche, grüne Tal vor uns. Wir haben keine Ahnung, was hier alles angebaut wird, aber es grünt rundherum. Wir durchqueren den Ort Chã d´Igreja, wo einige erwachsenen Männer an Geräten am Fitness-Platz trainieren. Marcus erzählt uns, dass der Platz erst letzte Woche eingeweiht wurde und seitdem mit Dauerbeschlag belegt wird.

Wir sind überwältigt vom „Haus am Weg“, diesem fast magischen Ort am Ende der staubigen Straße. Das Anwesen besteht aus mehreren Bungalows, die über den halben Berg verteilt sind. Gleich an der Straße, von dieser nur durch einen Zaun getrennt, steht das Haupthaus, das Diane Sozialhaus nennt. Hier ist die Küche, die Speisekammer, die Terrasse, auf der die Mahlzeiten eingenommen werden, ein kleiner Verkaufsraum, in dem Diane alles verkauft, was die Dorfbewohner herstellen und ein Bad, in dem man gegen Aufpreis heiß Duschen kann. In den Ein-Zimmer-Bungalows gibt es im Bad nur kaltes Wasser. Die dreigeteilten Fenster haben nur an den beiden äußeren Rahmen Scheiben, in der Mitte nur ein Fliegengitter. Oberhalb der Gästebungalows wohnen Diane und Markus und auch hier spielt sich ein Großteil des täglichen Lebens im Freien ab. Ganz oben, am Ende der Anlage ist der Hühnerstall untergebracht. Zwischen den einzelnen Gebäuden haben die beiden beinahe schon einen botanischen Garten angelegt, in dem man immer wieder versteckte Ruheplätze mit Gartenliegen und Hängematten finden kann. Man sieht der ganzen Anlage an, mit welcher Passion die zwei sich ihr Zuhause, ihren Zufluchtsort, geschaffen haben. Und das alles teilen sie für die nächsten Tage mit uns.


Wir beziehen unseren Bungalow und da es hier unten, fast schon auf Meereshöhe, angenehm warm ist, duschen wir kalt und suchen danach die Hängematten und Liegen im Garten auf, aus denen wir uns erst zum Abendessen um 18 Uhr wieder erheben. Es gibt das Nationalgericht der Kapverdischen Inseln: Cachupa, einen Eintopf aus Mais und Gemüse, der in einem großen Kessel über offenem Feuer in der eigens dafür erbauten Cachupa-Hütte zubereitet wird. Dazu reicht Diane Fisch, den ein einheimischer Fischer in einer großen Schüssel brachte, als er auf dem Heimweg hier vorbeikam. Wir gönnen uns dazu eine Flasche Wein und ein Gläschen Ponche mit Tamarinde. Ponche ist ein Likör, der aus Grogue (Zuckerrohrschnaps) und Zuckerrohrsirup hergestellt wird. Dem Zuckerrohr und seinen flüssigen Produkten kommt hier auf Cabo Verde große Bedeutung zu.


Beim Abendessen erfahren wir von Diane und Marcus, wie und seit wann es sie auf diese Insel verschlagen hat. Nachlesen kann man das auf ihrer Homepage https://hausamweg.com/

 

3. Februar 2019


Heute ist Ruhetag angesagt. Zwei anstrengende Wanderungen reichen uns zunächst mal und die ganz große Wanderung steht uns ja in zwei Tagen erst noch bevor. Wir schlafen aus, relaxen im Garten und genießen es einfach, von Diane so umsorgt zu werden. Hier bleiben einfach keine Wünsche offen.


Nach dem Frühstück schlendern wir beide ins Dorf und besichtigen dieses. Mehrere beladene Esel dösen am Ortsrand unter Bäumen, Kinder spielen mit Eimern und alten Fahrradreifen, Erwachsene sitzen auf ihren Verandas oder gehen irgendwelchen Arbeiten nach. Es ist so friedlich hier. Ein jeder scheint unendlich viel Zeit zu haben. Am anderen Ende des Dorfs führt eine steile Straße nach unten ins Tal, in die Ribeira. Hier unten ist der Fußballplatz des Dorfs inmitten einer Kiesgrube. Genau darüber, am Rande der Steilwand, können wir das kleine Boot erkennen, das vor dem Haus am Weg wohl zu Deko-Zwecken aufgestellt ist.


Während wir am Strand den Wellen zusehen, kommen Einheimische den Weg herunter, der an unserer Unterkunft vorbeiführt. Sie gehen an uns vorbei, laufen an der Küste weiter und verschwinden dann hinter einer Felswand. Ich bin neugierig und wir trennen uns. Claudia geht den Weg hinauf zur Unterkunft, ich wende mich der entgegengesetzten Richtung zu und folge den Leuten. So gelange ich in den Küstenort Cruzinha. In einer felsigen Bucht liegen etliche bunte Fischerboote, dahinter finde ich die Bar Sonafish mit Restaurant. Leider kann ich drinnen niemanden entdecken, sonst würde ich mir was zu trinken holen und mich damit nach draußen setzen, um dem Treiben der Dorfbewohner zuzuschauen. So drehe ich einfach nur eine Runde zwischen den Häusern, beobachte Kinder, die ein paar Ziegen und Kühe vor sich hertreiben und ihren Durst im gleichen Wassertrog stillen, aus dem auch die Tiere trinken. Ein Blick in diesen Trog sagt mir, dass ich, wollte ich auch daraus trinken, mir mindestens eine Gastritis einhandeln würde. Wenn nicht sogar mehr!


Auf dem Rückweg treffe ich Karin und Markus am Strand, die beiden, die ebenfalls im Haus am Weg wohnen. Sie wollen auch nach Curzinha und erzählen später, dass sie in der Bar mehr Glück haben als ich. Als sie dort eintreten, ist der Wirt zugegen und spricht sogar etwas deutsch. Gerade als ich den Strand verlasse und den Weg zum Haus hinaufsteigen will, kommt ein paar Hundert Meter weiter den steinigen Strand entlang, eine Eselskarawane scheinbar direkt aus der Felswand und bewegt sich auf mich zu. Ich versuche zu ergründen, woher die kommen, kann aber keinen Weg oder Einschnitt in der Wand erkennen. Ich bleibe stehen und beobachte die Tiere, wie sie absolut trittsicher über die riesigen Findlinge ihren Weg finden. Hinter den Eseln kommt ein junger Treiber leichten Schrittes daher gehüpft. Ich würde mir vermutlich alle Knochen brechen, würde ich versuchen, da lang zu laufen. Ich lasse die Gruppe vorbeiziehen und folge ihnen Richtung Chã d´Igerja. Doch während die Esel weiter Richtung Dorf trotten, habe ich für heute genug und biege am Gartentor ab zu unserem Bungalow.


Claudia schläft und da ich sie nicht stören will, verbringe ich den Nachmittag dösend und schreibend im Garten und gehe später auf einen Kaffee ins Sozialhaus, wo Diane mir frische Percebes anbietet, die ein Fischer gebracht hat. Es muss demnach ein Fisch sein. Doch Diane sagt, sie heißen auch Entenmuscheln und gelten in Portugal als sündteure Delikatesse. Ich kenne auch keine Entenmuscheln und beschließe spontan, sie zu probieren. Was mir kurze Zeit darauf serviert wird, sieht aus wie Schildkrötenbeine und ich mache bei der jungen Frau, die Diane in der Küche hilft, erst einen Lehrgang, um zu lernen, wie man diese Dinger isst. Ich bekomme einen großen Schlabberlatz um den Hals gehängt und Diane schützt die Fenster neben dem Tisch mit einem Tuch. Offenbar wird das eine rechte Sauerei! Ich stelle mich ziemlich blöd dabei an, die Dinger aufzubrechen, um an das „Fleisch“ zu kommen. Es schmeckt nicht wirklich, doch ich esse alles auf und brauche danach dringend einen Schnaps.

4. Februar 2019


Heute müssen wir bereits um 6 Uhr frühstücken, weil wir schon bald mit dem Aluguer, dem Sammeltaxi, nach Ribeira Grande, der Hauptstadt von Santo Antão, aufbrechen. Marcus begleitet uns bis dorthin und bietet uns eine Stadtführung. Karin und Markus, die den Baustein „5 Tage wandern und relaxen“ gebucht haben, sind mit von der Partie. Ich hatte mir diesen Baustein auch angeschaut, mich dann aber für ein individuelles Programm entschieden, welches ich mir mit Dianes Hilfe selbst zusammengestellt habe und das nur Teile dieses Bausteins enthält.


Wir besuchen eine Bäckerei, die von einer Bäckerin betrieben wird und wo die Semmeln und das Brot in einem Ofen gebacken werden, in dem ein offenes Feuer lodert. Auf dem Markt bestaunen wir respektvoll Frauen jeden Alters, die gigantische Körbe und Taschen auf ihren Köpfen balancieren und der Fischhändler bietet mir zwei mittelgroße Fische im Tausch gegen meine Schwester. Wären es zwei große Wahoos oder Thunfische, würde ich vielleicht mit mir reden lassen. Aber für zwei kümmerliche Makrelen gebe ich meine Schwester nicht her!


Marcus begleitet uns dann noch zum Aluguer, der uns nach Ponta do Sol ganz im Norden der Insel bringen soll und verabschiedet sich, um diverse Einkäufe zu tätigen. Claudia, die bis dahin unschlüssig war, ob sie die heutige Küstenwanderung mit mir machen will oder nicht, entscheidet sich dafür, zwar noch nach Ponta do Sol mitzufahren und diese Stadt auch zu besichtigen, dann aber mit Marcus nach Chã d´Igreja zurückzukehren und an diesem Tag noch einmal zu pausieren. Ab morgen beginnt nämlich unsere zweitägige Wanderung durch das Gebirge, die keine Möglichkeit zum Abbruch bietet, da dort, wo wir hingehen werden, kein Auto hinkommt.


In Ponta do Sol verabschieden sich Karin und Markus und gehen schon mal los zur Küstenwanderung. Diese Tour wird in allen Reiseführern als absolutes MUSS angepriesen und ich bin schon gespannt, ob die Route wirklich so spektakulär und traumhaft ist. Mit Claudia zusammen mache ich noch einen Rundgang durch das überschaubare Städtchen, das auf einer Landzunge errichtet ist, bringe sie dann zum Taxistand und breche schließlich ebenfalls zur Wanderung auf.


Die Route führt zunächst auf einer Straße nach Nordwesten aus dem Städtchen hinaus. Die letzten Gebäude der Siedlung sind die Schweineställe. Hier hält fast jede Familie ein Hausschwein, welches in einer gemieteten Box im kommunalen Schweinestall untergebracht ist. Wobei der Begriff Stall nicht ganz zutreffend ist. Es handelt sich einfach nur um eine Vielzahl aneinandergereihter Boxen von je zwei Quadratmetern ummauerter Fläche, mit Futtertrog, aber ohne Dach.


Die gepflasterte Straße windet sich hoch über der Küste in ständigem auf und ab die Berghänge entlang. Nach etwa einer halben Stunde hat man noch einmal einen schönen Rückblick auf Ponta do Sol und nur wenige Augenblicke später sieht man das Bergdorf Fontainhas wie ein Adlernest am gegenüberliegenden Berg kleben. Wer hier wohnt, muss schwindelfrei sein! Die Pflasterstraße verläuft nochmals abwärts in ein von Yamspflanzen überwuchertes Bachbett und steigt dann wieder an bis zur Schule von Fontainhas, wo der Weg in einen Pfad übergeht. Auf einem der verschlungenen Pfade finde ich meinen Weg zwischen den Häusern hindurch und verlasse das Dorf auf der anderen Seite wieder.


Ich habe auf meinen Wanderungen schon viele schöne und auch abenteuerliche Wege beschritten, aber das, was sich mir hier bietet, toppt alles, was ich bisher gesehen habe. Das ist hier nicht einfach nur ein ausgetrampelter Pfad. Hier steckt vieler Hände Arbeit drin, vieler Menschen Schweiß! Der Pfad ist fast durchgehend gepflastert, teils sind Steinmauern errichtet, die ein Abstürzen in die Tiefe verhindern. Und stets führt der Pfad hoch über dem Meer am und im Fels entlang. Die Auf- und Abstiege addieren sich zu einer beachtlichen Strecke, doch ist es nie wirklich steil. Nach jeder Kehre, hinter jedem Felsvorsprung präsentiert sich ein neuer, atemberaubender Ausblick auf die Berge, die Küste, das Meer.


Fünf Stunden gibt der Wanderführer für diese Route vor, doch ich lasse mir ganz viel Zeit. Über Serpentinen erreicht man die nächste, wenn auch nicht mehr so spektakuläre Ansiedlung Corvo und durch die Felsen der Steilküste die paar Häuser von Forminguinhas. Hier hat man, geht man von der Gehzeit aus, die Hälfte der Strecke erreicht, egal aus welcher Richtung man kommt. Ein geschäftstüchtiger Bewohner hat das wohl erkannt und bietet auf seiner Terrasse einfache Speisen und Getränke an. Als ich ankomme, haben Karin und Markus gerade ihr Mahl beendet und jede Menge Reis übrig. Ich lasse mich an ihrem Tisch nieder und nehme die Einladung zum Reste-Essen dankend an. Auch das kalte Bier tut gut, das ich mir genehmige. Die beiden brechen bereits wieder auf, doch ich gönne mir hier eine längere Pause.


Es sind nicht viele Menschen auf diesem wunderschönen Weg unterwegs, ein paar geführte Gruppen, aber kaum Individual-Wanderer. Ich genieße die Zeit, die ich für mich allein habe. Und doch finde ich es schade, dass Claudia diese Tour nicht mitgemacht hat. Sie ist nicht wirklich schwierig und hätte ihr bestimmt gefallen. Als ich am Spätnachmittag am Kiesstrand unterhalb von Chã d´Igreja ankomme, sehe ich schon von weitem, dass Claudia dort auf einem Felsbrocken sitzt und ins Meer schaut. Ich geselle mich zu ihr und wir plaudern noch ein Weilchen, bevor wir gemeinsam zum Haus am Weg laufen.


Diane und Marcus bewässern gerade den Garten und wir sehen ihnen eine Weile zu. Offenbar war heute auch Großwaschtag. Einmal in der Woche erhalten sie ihr Trink- und Brauchwasser zugeteilt und das ist wohl heute. Jeden Tag wird eine andere Region, die nicht mit Quellen gesegnet ist, mit Wasser versorgt. Über Levadas gelangt es zu den Häusern und Grundstücken und wird dort in einem großen Becken gesammelt. Wenn dieses voll ist, fließt weiteres Wasser über Rohre und Gräben in Gärten und Felder, bis die Levada wieder für eine Woche versiegt. Wir müssen jetzt nicht auf die tägliche Dusche verzichten, aber man hat uns schon nahegelegt, sparsam mit dem kostbaren Gut umzugehen. Wir dürfen auch nicht unser eigenes Duschgel benutzen, sondern Diane stellt in den Bungalows selbstgemachtes Duschgel zur Verfügung, welches biologisch abbaubar ist. Das komplette Brauchwasser wird in einer Zisterne gesammelt und als Gießwasser für den Garten verwendet. Marcus erzählt uns dann beim Abendessen, dass man auf Santo Antão mehr Steuern zahlen muss, wenn man einen Geschirrspüler oder eine Waschmaschine benutzt, weil man dadurch mehr Wasser verbraucht, als wenn man per Hand wäscht und spült.



Nach dem Abendessen heißt es Koffer packen, denn morgen verlassen wir Diane und das Haus am Weg bereits wieder, um mit Marcus zu unserer Zwei-Tages-Wanderung durch den Norden der Insel aufzubrechen. Unser Gepäck wird morgen früh schon um 06:45 Uhr vom Aluguer abgeholt und zum Hotel nach Chã de Morte gebracht, wo wir in zwei Tagen abkommen werden. Claudia hat mir gesagt, dass sie heute den ganzen Tag darüber nachgedacht hat, ob sie die Wanderung mitmacht oder mit dem Gepäck nach Chã de Morte fährt und dort auf mich wartet. Sie hat sich für die Wanderung entschieden, aber ich glaube, ganz sicher ist sie sich noch immer nicht. Nun, ihre Tasche und meinen Rucksack stellen wir zumindest am Sozialhaus ab, bevor wir schlafen gehen. Ich werde morgen früh dann schon sehen, ob Claudia noch im Bett neben mir schläft oder mit dem Gepäck verschwunden ist.

 


5. Februar 2019


Als ich aufwache liegt Claudia noch in ihrem Bett. Das Gepäck ist allerdings verschwunden als wir um 07:30 Uhr zum Sozialhaus kommen. Ich habe schlecht geschlafen, fühle mich aber trotzdem ausgeruht. Nach dem Frühstück wirft Marcus den Wasserfilter an und entkeimt für jeden von uns drei Liter Wasser. Unterwegs wird es keine Quellen geben und das Wasser an der Unterkunft, in der wir heute übernachten werden, wird zwar gefiltert, aber nicht entkeimt.


Ja, und dann kommt der Abschied von Diane und dem Haus am Weg. Karin und Markus schlafen noch. Von ihnen haben wir uns gestern Abend schon verabschiedet. Wir haben uns hier ausgesprochen wohl gefühlt und ich könnte mir durchaus vorstellen, in ein paar Jahren noch einmal hierherzukommen. Doch jetzt liegt erst einmal das Abenteuer des Inselnordens vor uns. Wir schultern unsere Rucksäcke, in denen sich nichts weiter befindet als ein Wechsel-T-Shirt, eine leichte Jacke, ein paar Sandalen, Zahnbürste und Zahnpasta, drei Liter Wasser und ein Lunch-Paket von Diane. So ausgerüstet folgen wir Marcus den Weg hinunter zum Meer und biegen erstmals nicht rechts ab, Richtung Cruzinha, sondern wenden uns nach links in die Richtung, aus der vorgestern die Eselskarawane kam.


Gerade ist Ebbe und Marcus erklärt uns, dass man diesen Weg, der eigentlich gar keiner ist, bei Flut nicht gehen soll, weil dann die Wellen oftmals bis an die senkrecht aufsteigende Wand donnern. Er hat auch jetzt ständig die Brandung im Blick und lässt uns ab und zu stehenbleiben und warten, bis sich die nächste Welle wieder verzogen hat. Er sagt, es hätte ihn selbst schon mal übel von den Füßen gezogen und er hätte Glück gehabt, dass es noch recht glimpflich ausgegangen war. Nun, wir glauben es sofort!


Nach etwa zwanzig Minuten haben wir die Stelle erreicht, wo die Esel aus der Felswand gekommen waren, und jetzt können wir auch den Einschnitt erkennen. Vor uns liegt die Ribeira do Inverno, das Wintertal, wegen seiner Ungastlichkeit und Trockenheit auch als Ribeira do Inferno bezeichnet: das Höllental. Das Tal ist so eng, dass die Sonnenstrahlen lediglich zur Mittagszeit für wenige Minuten den Talgrund bescheinen. Die wenigen Häuser, die es hier gibt, sind alle verlassen. Nur eines davon hat noch ein Dach aus Stroh und wird als Notunterkunft genutzt, wenn jemand in entgegengesetzter Richtung unterwegs ist und wegen der hohen Brandung das Tal nicht zur Küste hin verlassen kann. Das Tal ist zwar unbewohnt, wird aber bewirtschaftet. Wir wandern ein Stück weit in die Ribeira rein und steigen dann auf einem gepflasterten Weg in vielen Serpentinen aus dem Tal hinauf.


Gegen zehn kommt uns die Eselskarawane und ihr jugendlicher Treiber entgegen, die mir ja schon bekannt sind. Der Junge hat Kopfhörer im Ohr, eine Rute in der Hand und rennt hinter seinen Eseln den Berg herunter. Er bleibt kurz bei uns stehen, unterhält sich mit Marcus und rennt dann wieder hinter seinen Eseln, die bereits um die nächste Kehre verschwunden sind, den Berg hinauf, den wir gerade vorsichtig heruntergekommen sind. Marcus erklärt uns, dass die Esel Senhor Adalbert gehören, bei dem wir heute übernachten werden. Die Wegstrecke von Chã d´Igreja nach Figueiras ist für geübte Wanderer in sechs Stunden machbar, wobei die einzige Schwierigkeit in dem dauernden auf und ab besteht. Der Junge mit seinen Eseln läuft in vier Stunden hin und zurück und das gleiche am Nachmittag nochmal! Ich habe inzwischen die allergrößte Hochachtung vor der Leistung dieser zähen Insel- und Bergbewohner. Ich war immer schon fasziniert davon, wie man in allen Gebirgen, durch die ich bisher wanderte, die Wege und Pfade instand hält. Aber hier auf Santo Antão sind alle Verbindungswege zudem noch gepflastert und haben oft auch eine gemauerte Absturzsicherung.


Neidvoll blicken wir dem Jungen noch einen Moment nach und steigen dann wieder bergan. Claudia ringt immer wieder um Luft und hat uns gebeten, sie nicht mehr darauf anzusprechen. Wir sollen einfach vorangehen und immer mal wieder auf sie warten. So schrauben wir uns über verschiedene kleinere Pässe, mal aufwärts, mal abwärts bis zum Pass „Chupador“ auf 500 Höhenmeter hinauf, den wir nach zwei Stunden erreichen. Die Aussicht ist gigantisch: Pass reiht sich wieder einmal an Pass, Tal an Tal. An manchen Stellen fällt die Bergflanke die ganzen 500 Meter senkrecht ins Meer hinab. Durch die ständigen Auf- und Abstiege haben wir in diesen zwei Stunden deutlich mehr als 500 Höhenmeter im Anstieg bewältigt. Von dort oben blicke ich zum vor uns liegenden Tal hinunter, das ein Zwischenziel für uns ist, also fast die ganzen mühevoll erkämpften 500 Meter wieder hinunter und an der anderen Seite des Tales natürlich auch erneut 500 Meter hinauf. Deutlich sieht man den Weg, der sich ebenfalls in Serpentinen hinaufwindet, und irgendwo dort oben, ganz weit hinten, versteckt noch im Schatten des Berges, liegt Figueiras.


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Ich schaue mich vorsichtig nach meiner Schwester um und sehe sie an halber Höhe des letzten Aufstiegs. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass sie sich aktuell durchaus mit Mordgedanken, was meine Wenigkeit angeht, beschäftigt. Es tut mir leid, dass sie sich derart quälen muss, weiß aber nicht, wie ich ihr helfen kann. Ich bin hin und her gerissen von sich widerstreitenden Gefühlen. Einerseits fühle ich mich verantwortlich für meine „kleine“ Schwester und leide mit ihr, andererseits fühle ich mich augenblicklich unendlich frei. Ich stehe auf dem Pass hoch über dem Meer, um mich herum eine wahnsinnig beeindruckende, kahle, schroffe Bergwelt. Ich atme die reine Luft, höre nichts, als den Wind, der mir um Ohren und Nase streift und bin einfach nur glücklich im hier und jetzt. Und doch eben nicht ganz bei mir selbst! Trotzdem kommt mir nicht einmal der Gedanke: „Ach wäre sie doch daheimgeblieben!“


Marcus Zigarettenrauch reißt mich aus meinen Überlegungen. Kurz darauf erreicht uns Claudia, bleibt nur kurz stehen und macht sich dann zusammen mit mir an den Abstieg. Marcus wechselt noch schnell die Schuhe und folgt uns dann. Er läuft, wie Diane, in Flip-Flops. Allerdings nur bergab. Bergauf trägt er Wanderstiefel, weil er offenbar sonst wenig Halt hat. In Ribeira Alta, einem Hochtal, wie der Name schon sagt, gibt es eine Art Bar. Hier lassen wir uns mit Dianes Lunch-Paketen auf der Terrasse zur Mittagspause nieder. Marcus holt beim „Wirt“ kalte Getränke für uns. Für mich ein Bier, für sich selbst und für Claudia, die unten auf der Treppe sitzt und sich standhaft weigert die paar Stufen hinaufzusteigen, je eine Cola.


Die Hälfte unserer Tagesetappe haben wir erreicht, sind aber bereits seit fünf Stunden unterwegs. Auch nach der Mittagspause führt uns der Weg wieder in zwei Stunden auf 500 Meter Höhe hinauf, diesmal allerdings mehr oder weniger in einem Stück. An der höchsten Stelle angekommen warten wir wieder auf Claudia, und Marcus kann sie etwas mit der Ankündigung entschädigen, dass es ab jetzt bis nach Figueiras nur noch eben dahin bzw. leicht abwärts geht. Der Blick von dort oben toppt noch einmal alles Vorhergegangene. Ab hier laufen wir gemütlich gemeinsam die restlichen Kilometer bis zur echt sehenswerten Unterkunft von Senhor Adalbert. Um 16:40 Uhr fallen wir restlos erledigt auf die zwei himmelblauen Stühle am himmelblauen, einzigen Tisch des „Restaurant Adalbert“. Tisch und Stühle kleben an der Wand der Unterkunft, so dass man gerade noch an der anderen Seite des Tisches vorbeischlüpfen kann, ohne in den Abgrund zu stürzen. Wir sind so kaputt, dass wir zunächst nicht einmal etwas zu trinken haben wollen, sondern einfach nur dasitzen und Beine und Arme baumeln lassen. Die Seele folgt Armen und Füßen etwas später und baumelt schließlich auch.


Eine ältere Dame, schick gekleidet, verabschiedet sich gleich darauf gesten- und wortreich von Senhor Adalbert, wuchtet geschickt ihren Gepäckkorb auf den Kopf und tritt barfuß den Weg nach Chã d´Igreja an. Sie will noch vor Einbruch der Dunkelheit im Höllental ankommen. Das sind keine drei Stunden mehr! Wir haben für die ganze Strecke acht Stunden gebraucht, also vom Höllental bis hierher gute sieben! Mit Schuhen und gut zwanzig Jahre jünger als die einheimische Frau! Irgendwas machen wir falsch!


Senhor Adalbert betreibt hier am Arsch der Welt nicht nur dieses zweisitzige Restaurant und das „Hotel“ mit seinen drei Doppelzimmern, sondern auch das Transportunternehmen, zu dem die Eselkarawane gehört. Also direkt ein Großunternehmer! Marcus erzählt uns, dass Adalbert sehr stolz darauf ist, dass er seine Tochter nach der Elementarschule, die sich hier im „Dorf“ befindet, nach Porto Novo auf die Höhere Schule schicken konnte. Nicht jede Familie auf den Kapverden kann sich das leisten. Elementarschulen gibt es dagegen in jedem noch so kleinen Bergdorf und man erkennt sie immer daran, dass das Gebäude gelb gestrichen ist. Hier in Figueiras werden augenblicklich sieben Schüler unterrichtet.


Bevor es Abendessen gibt, beziehen wir unsere Zimmer, die, wie kann es anders sein, komplett in hellblauer Farbe gestrichen sind: Wände, Decke, Mobiliar, einfach alles, was man streichen kann. (Nachtrag 2023: inzwischen habe ich im Internet aktuelle Fotos gesehen und weiß, dass Senhor Adalbert auf weinrot umgestiegen ist.) Das ganze Gebäude besteht nur aus drei Zimmern. Eines davon ist das Zimmer von Adalberts Tochter, die ja jetzt in Porto Novo wohnt – in diesem schlafen wir beide – eines ist ein Gästezimmer und im dritten schläft normalerweise Adalbert selbst. Außer wenn das Zimmer für Gäste gebraucht wird, dann schläft Adalbert auf dem Dach des Hauses. Die Tür zu unserem Zimmer lässt sich nicht schließen und die Fenster haben – inselüblich – keine Scheiben. Bad und Toilette ist in einem kleinen Gebäude zwischen dem Haus und den Esel-Behausungen untergebracht, die Küche irgendwo dahinter. In dieser verschwindet Adalbert, nachdem er uns vier Flaschen eiskaltes Bier gebracht und zwei weitere Stühle an den Tisch gestellt hat. Es hat sich nämlich zwischenzeitlich ein weiterer Wanderer eingefunden, der aus der Gegenrichtung kam und morgen nach Chã d´Igreja weiter will.


Punkt 19:00 Uhr serviert Adalbert Hühnersuppe mit Reis, Kartoffeln, Erbsen und Karotten. Danach geht er seine sechs Esel und das Muli füttern, die mittlerweile wieder aus Chã d´Igerja zurück sind. Wir verziehen uns sofort nach dem Essen ungeduscht ins Bett. Nicht nur Claudia ist total fertig heute, auch mir stecken die vielen Höhenmeter in den Knochen und ich hoffe auf eine wadenkrampffreie Nachtruhe.

6. Februar 2019


Ich erwache um 04:45 Uhr und mein erster Gedanke gilt Papa, der heute 80 geworden wäre. Übermorgen ist sein 21. Todestag. Durch ihn bin ich eigentlich aufs Wandern gekommen. Diese Tour hätte ihm sicher auch gefallen. Mit den Gedanken an ihn taste ich mich im ersten Grau der Morgendämmerung an der Wand entlang zur Toilette. Weiter hinten im Dorf brennt eine „Straßenlaterne“ und aus dem Tal sieht man Lichtpunkte den Berg heraufkommen. Der erste Esel schreit, noch bevor der erste Hahn kräht. Ich krieche noch einmal ins Bett und kuschle mich in die Wolldecke, die ich in der Nacht im Schrank gefunden habe. Es war empfindlich kalt und zudem haben wir die Muskeln gestern stark überbeansprucht. Um 06:30 Uhr klingelt der Wecker und bald darauf gibt’s Frühstück mit Omelette, Toast, Marmelade, Margarine, Kaffee und Milch. Keine Ahnung, ob die von den Esel:innen stammt oder von Ziegen. Wie Kuhmilch schmeckt sie jedenfalls nicht.


Gemächlich steigen wir durch das Dorf in vielen, vielen Serpentinen ein Stück weit hinunter, um dann an der anderen Seite des Einschnittes wieder auf gleiche Höhe hinaufzusteigen. Heute sind allerdings die Auf- und Abstiege nicht mehr ganz so steil wie gestern und selbst Claudia sagt, sie findet es heute nicht mehr ganz so anstrengend. Im Tal von Figueiras wird intensiv Landwirtschaft betrieben. Überall arbeiten Männer auf den Terrassen-Feldern. Auch Kinder sieht man arbeiten, bevor sie sich auf den Weg zur Schule machen. Marcus sagt, im Tal hier gibt es 150 Kinder und daher auch zwei Schulen, in denen sie in jeweils zwei Gruppen unterrichtet werden.


Beim Abstieg nach Alto Mira bietet sich ein bisher ungewohntes Bild. Ein breites, grünes Tal, in dem auf ebener Fläche Ackerbau betrieben wird, durchzogen von einer tiefen Schlucht, durch die in der Regenzeit sicher unvorstellbare Wassermassen ins Meer fließen. Für unsere Mittagspause klettern wir heute über teils zerfallene Stufen direkt ans Meer hinunter.


Der letzte Aufstieg ist noch einmal heftig, aber schließlich stehen wir oben auf der Hochebene und sehen Ribeira da Cruz in nicht mehr allzu weiter Entfernung. Noch eine Stunde, dann sind wir am Ziel unserer Wanderung angekommen. Dabei konnten wir den Ort gestern vom Chupador aus schon sehen. So spektakulär wie die gestrige, war die heutige Strecke nicht mehr. Und obwohl es heute nicht ganz so anstrengend war, sind wir doch froh, als wir gegen 13 Uhr in Ribeira da Cruz bei dem bereits auf uns wartenden Taxi eintreffen. Die Fahrt geht auch sofort los und führt durch eine herrliche Bergwelt nach Chã de Morte, das „Dorf des Todes“, wo wir für drei Nächte im Hotel von Senhor Nelson und seiner Frau Suzette wohnen werden. Wir bekommen ein schönes Zimmer, duschen uns erst einmal Staub und Schweiß vom Körper und sitzen dann den Rest des Tages auf der Terrasse vor dem Hotel in der Sonne und sehen dem Treiben auf der Straße zu.


Marcus ist auch noch bis morgen da und die Kosten für die drei Nächte hier im Hotel werden noch von den Wander-Bausteinen vom „Haus am Weg“ abgedeckt. Eigentlich wäre für übermorgen, nach einem Ruhetag, noch eine Wanderung in die Bordeira de Norte vorgesehen. In Eigenregie, nur mit Info-Material und Wegbeschreibung von Marcus. Aber ich glaube, das werden wir ihm ausreden. Was dagegen Marcus uns ausredet, ist eine Übernachtung in Porto Novo am letzten Tag unseres Urlaubs. Er meint, es sei nicht immer gewiss, dass die Fähre nach Mindelo pünktlich ausläuft. Bei hohem Seegang kann es sogar passieren, dass sie an dem Tag gar nicht fährt und dann erreichen wir unseren Flug nach Lissabon nicht. Also besser einen Tag vor dem Abflug die Insel verlassen und in Mindelo noch einmal übernachten. Er storniert für uns die Buchung in Porto Novo und ich buche stattdessen für diesen Tag noch einmal ein Zimmer in der Pension Avenida, in der wir an unserem ersten Tag auf Cabo Verde übernachtet haben.


Mein Gott, war das wirklich erst vor einer Woche?


7. Februar 2019


Heute ist Ruhetag! Wir werden uns heute nur bewegen, wenn es absolut notwendig ist. Das Frühstück haben wir auf 08:30 Uhr bestellt. Allerdings kräht der hiesige Hahn noch früher als Adalberts Esel schreit. Das Vieh fing in der Nacht zwischen zwei und drei bereits an. Um sieben stehe ich schließlich auf, um Marcus zu verabschieden, der mit dem ersten Aluguer Richtung Porto Novo aufbricht. Es war eine ausgesprochen schöne und informative Zeit mit ihm und Diane und ich bin richtig froh darüber, dass ich von meinem ursprünglichen Plan, der Inselumrundung auf eigene Faust, abgewichen bin.


Nach dem Frühstück sitzen wir zunächst draußen auf der Terrasse und schauen den Kindern zu, die in ihren Schuluniformen zur Bushaltestelle laufen. Doch bald schon wird uns das Nichtstun zu langweilig und wir beschließen, den Pfad zu erkunden, der den Hügel auf der anderen Straßenseite erklimmt und sich dann talwärts windet. An etlichen einfachen Hütten und Stallungen vorbei, erreichen wir schließlich den Grund einer Schlucht und steigen zur Straße und einer neuen Brücke auf. Wir folgen der Straße nach rechts und biegen dann weiter oben links ab. Claudia will zu der Felsnadel hinauf, die weithin sichtbar über uns aus dem Dunst ragt. Wir steigen auch wirklich bis zum Fuß dieser Felsnadel auf und setzen uns dort unter einen Baum, essen unsere Bananen, die wir vom Frühstückstisch mitgenommen haben, und schauen uns einfach die Landschaft an.


Ab und zu kommt ein Taxi vorbei, hier ausnahmslos Toyotas, meist Pick-ups, oder jemand läuft den Berg hinauf oder hinab. Der Flip-Flop ist hier offenbar der gängige Schuh. Kaum jemand der vorbeiziehenden Menschen trägt etwas anderes.


Über uns ragen in zwei Reihen Bergketten auf. Hier muss es sich wohl um die Bordeira de Norte handeln, in die uns Marcus morgen hatte schicken wollen. Gut, dass wir uns da anders entschieden haben! Wir werden morgen mit dem Aluguer nach Porto Novo fahren und uns diese Stadt etwas genauer ansehen. Nach der Umbuchung haben wir dafür nämlich nächste Woche keine Zeit mehr.


Auch hier wird das Rumsitzen mit der Zeit langweilig und wir steigen in den oberen Ortsteil von Chã de Morte ab. An der Hauptstraße finden wir eine Bar, lassen uns bei einem kühlen Bier auf der Terrasse nieder und bestaunen am Haus gegenüber die grellbunte Unterwäsche, die dort auf der Leine hängt. Cabo Verde ist nicht nur äußerlich recht farbenfroh!


Die Berge sind heute verschwunden. Die ganze Umgebung versinkt im Dunst. Das ging gestern Abend schon los und setzte sich heute früh fort. Hier herrscht überhaupt eine eigenartige Wetterlage. Im Nordosten versteckten sich die Berge fast ausschließlich in den Passat-Wolken, im Norden war es stets sonnig und warm, aber sehr windig, gestern dann, den Aufstieg vom Meer nach Ribeira da Cruz und die anschließende Fahrt hierher, absolvierten wir in praller, stechender Sonne und heute ist es zwar warm und sonnig, aber kein strahlend blauer Himmel, sondern eben sehr dunstig. Gestern Abend sah es sogar kurzfristig mal nach Regen aus. Den könnte man auf den Inseln hier wirklich gut brauchen. Im Nordwesten soll es Gebiete geben, da haben die Grundschulkinder noch nie in ihrem Leben Regen gesehen.

Die Leute hier haben die Ruhe weg. Morgens und abends arbeiten zwar die meisten auf den Feldern, aber den Nachmittag über sitzen sie stundenlang an der Straße, ohne sich auch nur einmal zu rühren. Zu jeder vollen Stunde scheint hier an der Schule der Unterricht zu beginnen. Als ob die Klassen versetzt unterrichtet würden. Es gibt massenweise Kinder, die quasi zu jeder vollen Stunde die Straßen bevölkern. Senhor Nelson, unser Hauswirt, sagt, die Leute haben hier so viele Kinder, weil es früh dunkel wird und sie keinen Fernseher haben. Dabei zwinkert er heftig mit den Augen.


Senhor Nelson betreibt mit seiner Frau Suzette diese Pension hier samt kleinem Laden. Sie haben zwei Angestellte, eine für den Laden, ca. 16 Jahre alt und sehr schüchtern, eine für die Pension. Diese ist etwa 20 – 25 Jahre alt. Suzette kocht und organisiert den Laden und Senhor Nelson sitz vor der Tür und schaut auf die Straße, oder er trinkt Bier, oder er fährt mit seinem knallgelben Cabrio durch die Gegend. Damit passt er eher nach Cuba als hierher. Die beiden sind übrigens geschätzte 70 Jahre alt.


8. Februar 2019


Nach dem Frühstück um 06:30 Uhr ruft Claudia ihren Sohn Sebastian an und ich nehme ein kleines Video auf und schicke es unserer Tante. Die beiden haben heute Geburtstag. Da muss man natürlich gratulieren!


Gleich darauf kommt auch schon der Aluguer, der uns nach Porto Novo bringt. Suzette fährt auch mit. Sie will nach São Vicente rüber und dort eines von Nelsons Autos abholen, das er seinem Schwager geliehen hat. Sie fährt mit der Katamaran-Fähre und will um 12:30 Uhr wieder zurück sein und uns dann am Restaurant Antilhas, gleich neben dem Hafen, abholen. Wir steigen am Hafen aus, da hier Endstation ist und unser Aluguer sich in der Haltestelle einreiht. Am Hafen ist richtig was los. Händler bieten ihre Waren an, Frauen mit riesigen Lockenwicklern in den Haaren stehen am Straßenrand und verkaufen Obst und Gemüse, Taxifahrer warten auf Fahrgäste.


Wir schlendern zunächst am Strand entlang, halten die Füße mal ins Wasser, das erstaunlich warm ist, und gehen dann auf der Hauptstraße durch die Stadt in die Richtung, aus der wir mit dem Aluguer gekommen sind. Wir passieren einen Strandpark, der aber zu dieser Zeit noch geschlossen ist, entdecken den Fußballplatz und einen Fitness-Park und kommen am TÜV vorbei. Schließlich landen wir an einem großen, protzigen Hotel, dem „Santo Antão Resort“. Was auf den ersten Blick nach Luxus aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als wahre Dreckschleuder. Das Abwasser des Hotels wird durch eine Pipeline direkt am steinigen, schmutzigen Strand ins Meer eingeleitet.


Wir kehren um und bummeln durch Geschäfte, trinken irgendwo eine Cola, essen wieder einmal Bananen, die hier einfach köstlich schmecken, und kaufen uns schließlich kapverdische Wanderschuhe, wie Diane und fast alle Einheimischen sie tragen. Gegen Mittag treffen wir am Restaurant Antilhas ein und bestellen uns ein Sandwich. Von unserem Tisch aus haben wir den Hafen gut im Blick. Was uns dabei irritiert ist, dass keine Taxis vor dem Hafengebäude stehen. Auch keine Aluguers, keine Händler, keine lockengewickelte Frauen. Und um 12:30 Uhr kommt dann auch keine Fähre!


Im Hafen gibt es einen WLAN-Hotspot, den wir nutzen, um uns den Fährplan anzusehen. Eigentlich hätte die Fähre um 12:30 Uhr kommen müssen. Am Ticketschalter entdecken wir einen Aushang mit den Fahrzeiten des Katamarans, auf dem steht, dass die Mittagsfähre täglich fährt, auch am Wochenende und an Feiertagen, nur heute nicht! Das habe ich ja wieder einmal super hingekriegt! Ich nehme doch tatsächlich auf meinen Wanderungen und Urlaubsreisen alle negativen Ausnahmen mit, die ich bekommen kann!


Wir drehen noch eine Runde durch die wenig sehenswerte Stadt und sind um 16:00 Uhr wieder am Hafen. Jetzt ist hier viel los und wir stellen uns so, dass wir die Laderampe der Fähre gut einsehen können. Ein Auto nach dem anderen rollt die Rampe herunter, die meisten Pick-ups total überladen mit allen möglichen Gegenständen. Einer hat drei Kühlschränke geladen, auf einem ist ein Turm aus Matratzen verzurrt, auf anderen stehen Ziegen dicht an dicht auf der Ladefläche. Es gibt viel zu sehen und zu bestaunen, nur Suzette mit ihrem schwarzen Pick-up sehen wir nicht. Claudia geht zum Restaurant hinüber und ich laufe die Straße entlang. Vielleicht haben wir Suzette übersehen und sie wartet hier irgendwo auf uns. Plötzlich ruft einer der Taxifahrer mich beim Namen. Ich bin zuerst ganz verdattert: Woher weiß der, wie ich heiße? Dann erkenne ich ihn. Es ist der Fahrer, der heute früh den Aluguer gefahren hat. Er ist auch der gleiche, der uns mit seinem Taxi vorgestern in Ribeira da Cruz abgeholt hat. Und er erklärt mir, dass Suzette die Fähre verpasst hat und wir mit ihm nach Chã de Morte fahren sollen. Ich kann noch immer kein Portugiesisch und er noch immer kein Englisch, aber irgendwie verstehen wir uns. Mit meinem Spanisch komme ich ganz gut weiter, obwohl mir jeder Einheimische stets versichert, er könne kein Spanisch.



Ich suche Claudia und wir quetschen uns mit dreizehn weiteren Fahrgästen in den Pick-up. Fast alle der Einheimischen haben Gepäck dabei, das hinten auf die Pritsche kommt. Als später weitere Fahrgäste zusteigen, finden auch die auf der Pritsche und teilweise sogar auf dem Dach Platz. Die Fahrt ist ein wahres Erlebnis. Das bekommt man in einer Pauschalreise nicht geboten! Wir fahren noch nicht lange, da wird es sehr lustig im Pick-up. Offenbar hat jemand einen richtig guten Witz erzählt und ich werde den Verdacht nicht los, dass dieser auf unsere Kosten ging. Aber was soll´s! Ich habe ihn ja nicht verstanden und die anderen Fahrgäste hatten ihren Spaß daran. Wir lachen einfach mit. Dann beginnt jemand zu singen und alle stimmen ein. Eine Stunde später treffen wir in Chã de Morte ein und ein sehr zerknirschter Senhor Nelson entschuldigt sich mehrfach für die Unannehmlichkeiten. Claudia und ich antworten gleichzeitig: „Schon gut! Gib uns einen Wein aus und die Sache ist vergessen!

Abend gibt´s geschmorte Hähnchen und wir hegen die Hoffnung, dass wir diese Nacht durchschlafen können. Doch pünktlich um drei Uhr kräht das blöde Vieh wieder!


9. Februar 2019


Und wieder ist ein Teilabschnitt unseres Urlaubs beendet. Heute geht es nach Tarrafal de Monte Trigo an die Westküste. Wir sollen um neun Uhr abgeholt werden. Beim Frühstück teilt uns Senhor Nelson aber mit, dass sich die Abfahrt um eine Stunde verschiebt. Marcus hat angerufen und die neue Abfahrtszeit durchgegeben.


Ab 09:30 Uhr sitzen wir mit unserem Gepäck in bester Inselmanier draußen vor der Tür und warten. Die drei Österreicher, die wir gestern Abend noch kennenlernten, verlassen kurz darauf das Haus und wandern mit ihren großen Rucksäcken die Straße hinauf. Sie wollen nach Norte und haben heute noch 1600 Höhenmeter in der prallen Südhang-Sonne vor sich. Also ich wäre da spätestens um 04:30 Uhr aufgebrochen, nicht erst kurz vor zehn. Aber jedem das Seine!


Heute sieht man die Berge wieder klar und deutlich. Der ganze vermeintliche Dunst von gestern war Saharasand. Die Inseln waren praktisch davon eingehüllt. Selbst der Flugverkehr von und nach Cabo Verde war lahmgelegt. Da ging gestern nix! Und jetzt erhebt sich plötzlich im Norden das komplette Bergmassiv und leuchtet hellorange in der Sonne. Wenige hundert Meter östlich vom Hotel sieht man nun eine tiefe, breite Schlucht, von der wir bisher nicht wussten, dass sie existiert.


Pünktlich um zehn erscheint ein Taxi, dessen Fahrer wir bis jetzt noch nicht kennen. Er verfrachtet unser Gepäck auf die Ladefläche und da dort auch Sitzbänke sind, wollen wir draußen sitzen. Doch der Fahrer bittet uns, im Fahrzeug Platz zu nehmen. Ich überlasse Claudia den Beifahrersitz und nehme mit der Rückbank vorlieb. Ein Blick durch bzw. auf die Windschutzscheibe lässt in mir eine Ahnung aufkommen, warum wir nicht hinten auf der Pritsche sitzen dürfen. Ich hoffe, der Fahrer kennt den Weg auswendig, denn sehen, wohin er fährt, kann er durch diese verdreckte Scheibe sicher nicht! Die erste Fahrstrecke kennen wir bereits. Sie führt nach Porto Novo, wendet sich dann aber am Stadtrand nach rechts, von Porto Novo weg.


Ab hier fahren wir durch eine trockene, staubige Wüstenlandschaft. Die Berge des Nordens kann man zwar noch in der Ferne sehen, doch geht das Gelände immer mehr in weite Ebenen über, die durch tiefe Schluchten durchzogen ist. Ziegenherden zupfen zwischen den Steinen und Felsbrocken die spärlich stehenden Grashalme ab. Die Straße windet sich in Kehren um Hügel und Schluchten. Es ist wieder eine gänzlich andere Landschaft als alles, was wir bisher hier kennenlernen durften. Nach einer halben Stunde gabelt sich die Straße unterhalb eines kleinen Hügels, auf den ein Pfad hinaufführt. Oben scheint es einen Rastplatz oder Aussichtspunkt zu geben mit Tischen und Bänken und einem aufgespannten Sonnenschirm. Der Fahrer hält am Fuße dieses Hügels, lässt uns aussteigen und schickt uns den Hügel hinauf.


Uns verschlägt es fast die Sprache! So weit man sehen kann erheben sich rotbraune Vulkankegel aus der ockerbraunen, von gelben Streifen durchzogenen Hochebene. Es ist ein Bild wie ein Gemälde. Kaum vorstellbar, dass dies einmal fruchtbares Land war. Die Kornkammer Cabo Verdes ist heute eine unfruchtbare, wasserlose Einöde, auf die unbarmherzig die Sonne herniederbrennt. Und dennoch ist diese Landschaft von einzigartiger Schönheit. Wir können uns kaum satt sehen.


Als ich mich umdrehe und zum Taxi hinunterschaue, sehe ich, wie der Fahrer sich an unserem Gepäck zu schaffen macht. Mein erster Gedanke ist: „Der will uns bestehlen!“ Doch gleich darauf schäme ich mich für meine Verdächtigung, denn er räumt lediglich unsere Rucksäcke und Taschen in den Innenraum. Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum er das macht, denn nun habe ich auf meiner Rückbank herzlich wenig Platz. Als wir dann aber weiterfahren, erschließt sich uns sehr schnell der Grund für diese Maßnahme. Die gepflasterte Straße endet hier! Ab jetzt fahren wir über eine buckelige Piste und obwohl das noch vor uns liegende Wegstück nur höchstens zehn Prozent der gesamten Strecke ausmacht, brauchen wir dafür viermal so lang, wie für den bis hierher zurückgelegten Weg. Der Jeep hüpft von Stein zu Stein, von Schlagloch zu Schlagloch, klettert über Felsbrocken und windet sich durch tiefe Rinnen, während das ganze Fahrzeug von einer Staubwolke verschluckt wird. Es dauert nicht lange, da schlage ich mir das Knie am Türgriff so an, dass Blut fließt.


Wir durchqueren die Hochebene und halten direkt auf eine Stelle zu, wo das Plateau den Horizont zu berühren scheint. Der Fahrer lässt uns wieder aussteigen und geht mit uns zum Abgrund. Tief unter uns liegt ein grünes, fruchtbares Tal. Ein Steig führt hier hinunter, schlängelt sich zunächst durch die Steilwand und dann durch ein Dorf, das auf den Felsen erbaut ist. Weiter unten erkennt man eine Straße, die zu einer weiteren Ansiedlung und zum Meer führt. Tarrafal de Monte Trigo liegt uns zu Füßen. Eineinhalb Stunden später treffen wir unten ein und im Nachhinein frage ich mich, ob es nicht klüger gewesen wäre, zu Fuß zu gehen und den Steig nach unten zu nehmen. Die Schaukelei im Auto geht nämlich echt auf die Knochen und ich schlage mir mein Knie noch ein paarmal an der Tür an.


Bevor wir an unserer nächsten Unterkunft ankommen, fragt uns der Fahrer, wie lange wir dortbleiben und wann wir wieder abreisen wollen. Ich weiß, dass es einen Aluguer gibt, der zweimal täglich nach Porto Novo fährt. Wir brauchen also nicht unbedingt ein Taxi. Aber unser Fahrer ist ein geschäftstüchtiger Mann und überzeugt mich davon, dass eine Fahrt im Taxi die bessere und bequemere Variante ist. Der Aluguer fährt nämlich schon am zeitigen Morgen los und wir wären dann viel zu früh in Porto Novo und müssten stundenlang auf die Fähre warten. Mit der zweiten regulären Fahrt erreichen wir die Fähre allerdings nicht mehr. Außerdem beginnt die Fahrt im oberen Ortsteil und das Fahrzeug ist dann oft schon besetzt, bis es an unserer Unterkunft ankommt und wir hätten nur noch Platz auf der Pritsche, also im Staub. So buche ich dann gleich die Taxifahrt für den Abreisetag. Der Fahrer lädt noch unser Gepäck aus, stellt es vor einem Gartentor ab und fährt winkend davon. Oder war es händereibend?


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Und dann stehen wir da und bestaunen die Anlage, die da vor uns liegt. Mar Tranquilidade! So heißt unsere Unterkunft für die nächsten drei Nächte. Ganz anders als das „Haus am Meer“ aber ebenfalls wunderschön. Auf den ersten Blick lässt sich gar nicht erkennen, wie groß das Anwesen ist. Nicht so groß wie das Grundstück um das „Haus am Weg“, das scheint sicher. Das Haupthaus liegt an der Straße, dahinter erkennt man mehrere strohgedeckte, irgendwie ineinander verschachtelte Steinhäuser. Der ganze Komplex steht im Schatten großer Bäume. Südsee-Feeling kommt auf. Es ist wie im Paradies! Auf der anderen Seite der Straße beginnt der feine Lava-Strand. Stufen führen zu einem auf Betonsäulen getragenen Dach mit Liegestühlen und Sitzgelegenheiten darunter.


Wir treten durch das Gartentor und werden kurz darauf von einem Mann in Empfang genommen, nennen wir ihn einmal Bert. Bert erklärt uns, dass er und seine Freundin, wir taufen sie Cindy, augenblicklich die Vertretung für Susi und Frank, die Eigentümer der Anlage übernommen haben. Susi und Frank machen Urlaub vom Paradies und Cindy und Bert beaufsichtigen das Personal und kümmern sich um die Belange der Gäste. Bert zeigt uns unser Häuschen und lässt uns dann allein. Um unsere Anmeldung wird Cindy sich kümmern, wenn sie später kommt. Schlüssel für die Tür gibt es keinen – hier stehen immer alle Türen offen.


Das kleine Haus besteht aus einem Zimmer mit einem Doppelbett mit Moskitonetz, einem kleinen Badezimmer mit WC, Waschbecken und Dusche, und einer Terrasse mit Hängematten. Schränke gibt es nicht und so lassen wir unsere Klamotten in den Rucksäcken und Taschen. Uns zieht es zum Strand und wir schmeißen uns in unsere Badeanzüge, schnappen die Badetücher und verlassen die Unterkunft wieder. Bert sitzt inmitten einer lauten Schar von Urlaubsgästen und bechert ganz ordentlich mit ihnen. Als wir durch die Gartenpforte treten, steht draußen ein Einheimischer und wäscht sich gerade die Hände in der Wanne, die dort steht, damit man sich, wenn man vom Strand kommt, kurz den Sand von den Füßen waschen kann. Wir grüßen mit dem gewohnten „Bon Día“ und der Mann grüßt freundlich zurück und sagt noch etwas, das ich nicht verstehe. Da ertönt ein Schrei aus der Richtung, in der Bert mit seinen Freunden wohl schon seit dem späten Vormittag trinkt, und mit scharfen Worten macht er den Mann richtiggehend nieder. Wir zwei schauen uns nur kopfschüttelnd an und Claudia meint: „Ja, so habe ich den eingeschätzt. Selber faul herumhängen, die Einheimischen arbeiten lassen und dann noch unverschämt den Herrenmenschen heraushängen lassen.“ Sowas hätte es bei Diane und Marcus nicht gegeben.


Der Strand scheint unendlich lang zu sein und ist fast menschenleer. Wir bewegen uns ein ganzes Stück vom Dorf weg und ich wage mich todesmutig in die Fluten. Ich liebe es zwar, am Meer zu wandern oder am Strand zu sitzen und in die Ferne zu schauen, aber eigentlich bin ich eher ein Kind der Berge. Ich schwimme auch in Flüssen und Seen, doch das Meer ist mir da irgendwie suspekt. Ich habe keinerlei Erfahrung, wo und wann man gefahrlos im Meer schwimmen kann und wo man es besser lässt. Ob es nun bei Flut gefährlich ist oder eher bei Ebbe, das ist mir nicht bekannt. Dennoch laufe ich ins Wasser und genieße es, wie mich die Wellen umspülen. Ich würde schon gerne schwimmen, aber ich traue mich nicht wirklich hinein. Als ich bereits wieder auf dem Weg ans sichere Ufer bin, passiert es. Eine Welle holt mich schneller von den Füßen als ich schauen kann, spült mich an den Strand und zieht mich dann wieder zurück ins Wasser. Ich versuche, irgendwie auf die Füße zu kommen. Doch da kommt schon die nächste Welle, spült mich an Land, zieht mich wieder zurück. So geht das ein paarmal hin und her. Als ich dann doch endlich sicheren Boden unter den Füßen habe, rinnt mir wieder das Blut von den Knien und ich habe für heute genug vom Baden. Wir ziehen es für die nächste Stunde vor, im Sand zu liegen und uns die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen.


Dieser Strandabschnitt ist übrigens zu bestimmten Zeiten im Sommer gesperrt, weil hier die Riesenschildkröten ihre Eier ablegen und die jungen Schlidkröten dann schlüpfen. Dann helfen die Bewohner von Tarrafal zusammen und sorgen dafür, dass die kleinen Dinger den Weg ins Meer finden.


Am späteren Nachmittag machen wir noch einen kleinen Rundgang bis zur Mitte des unteren Dorfes, wo sich die Schule befindet. Die Häuser sind nicht im allerbesten Zustand. Die Bevölkerung scheint vorwiegend von Landwirtschaft und Fischfang zu leben. Man ist hier nur etwa 40 km von Mindelo auf São Vicente entfernt und die Waren werden per Schiff hinübergebracht und dort auf dem Markt verkauft. Es gibt auch ein paar weitere touristische Unterkünfte und eine Tauchschule. Hier vor der Westküste Santo Antãos ist der einzige Küstenabschnitt des westlichen Archipels, an dem man gefahrlos Baden und Tauchen kann. Also, wenn man sich nicht so blöd anstellt wie ich!


Auf dem Rückweg erleben wir mit, wie die Fischer von ihrer Arbeit heimkehren und das Boot mit ihrem Fang direkt neben unserer Unterkunft an Land ziehen. Dort gibt es einen großen Betonklotz, auf dem die riesigen Fische an Ort und Stelle zerlegt und verteilt werden. Wir treten näher heran und Claudia sagt ganz fachkundig: „Wahoo“, worauf der Fischer sie anstrahlt und eifrig nickt. Aus dem Dorf kommen jetzt viele Frauen und auch Kinder mit Eimern und Schüsseln und jeder trägt seinen Anteil am heutigen Fang nach Hause. Auch die Küche vom „Mar Tranquilidade“ bekommt einen großen Fisch und wir freuen uns nun auf das Abendessen.


Als wir uns umziehen, hören wir Menschen singen. Es hört sich aber nicht fröhlich an, sondern eher wie eine Art Klagelied. Wir schauen von der Terrasse hinaus und sehen viele Menschen, fein herausgeputzt, die Straße langgehen. Die Frauen stimmen immer wieder diesen Klagegesang an.


Cindy ist jetzt in der Unterkunft und wir erledigen zunächst die Anmelde-Formalitäten und fragen nach der Ursache dieser seltsamen Prozession. Es handelt sich um eine Beerdigung. Ein Percebes-Fischer ist bei der Ausübung seiner Arbeit ums Leben gekommen und hinterlässt Frau und mehrere Kinder. Die Entenmuscheln wachsen an den Klippen und sind nur bei Niedrigwasser zu erreichen. Und da die Gezeiten hier auf den Inseln nicht stark ausgeprägt sind, ist es auch da noch sehr gefährlich, denn man kann jederzeit von einer größeren Welle erfasst und gegen die Klippen geschleudert werden. Genau das ist diesem Mann passiert. Etwas betroffen denke ich an meine Percebes-Mahlzeit bei Diane zurück, und daran, dass mir die Dinger nicht einmal geschmeckt haben. Und dafür setzen sich die Männer dieser Gefahr aus. Nur, weil dafür in den Spezialitäten-Restaurants in Portugal so viel Geld dafür gezahlt wird.


Dann erfahren wir die Zeiten für die Mahlzeiten. Abendessen gibt es nach dem Sun-Downer, der drüben am Strand serviert wird.  Gegessen wird auf dem Vorplatz vor dem Haupthaus unter einem der großen Bäume. Es wird auf der niedrigen Mauer ein Buffet aufgebaut. Ich erfrage, ob es eine feste Sitzordnung gibt und erfahre, dass es hier keinerlei Zwänge gibt. Man setzt sich hin, wo man will, nimm sich, was man haben möchte und bleibt, bis man müde ist. Das mit dem Sun-Downer lassen wir uns nicht zweimal sagen und schlendern schon mal hinüber an den Strand. Dort werden gerade die Fischabfälle wieder ins Meer geworfen und es erscheinen jede Menge großer und kleiner Wasservögel und stürzen sich darauf. Und auch aus dem Meer selbst taucht der eine oder andere größere Kopf auf und schnappt sich einen Happen. Ein Gast aus unserer Unterkunft wirft die Angel aus und gibt dadurch ein super Fotomotiv vor dem Sonnenuntergang ab.


Die Klientel des Hauses, von der wir beim Abendessen dann einen ersten Eindruck gewinnen, ist eindeutig „gehobene Klasse“. Es scheinen sehr viele Langzeit-Urlauber hier den Winter zu verbringen. Wir hören ausnahmslos Deutsch mit starkem österreichischen oder schweizerischen Einschlag. Die Mehrzahl davon kennt sich offenbar schon seit Jahren und sitzt am großen Tisch gleich neben dem Buffet, wo auch Cindy und Bert sitzen und sich bedienen lassen. Wir suchen uns einen der kleinen Zwei-Personen-Tische und unterhalten uns mit den Tischnachbarn, die wie wir nur ein paar Tage hier sind und morgen wieder abreisen. Die beiden Frauen sind nicht sehr angetan von den anderen Gästen und meinen nur, die seien sehr eigen.


Das Essen ist reichlich, aber eher europäisch-kontinental. Vom frischen Fisch keine Spur! Da hat es uns sowohl bei Diane und Marcus als auch bei Senhor Nelson und Suzette besser geschmeckt.


10. Februar 2019


In der Nacht schlafen wir beide nicht besonders gut. Der Hahn, der mit seinem Harem gleich neben unserer Hütte wohnt, kennt offenbar keine Nachtruhe. Wir schlafen beide erst weit nach Mitternacht ein. Um vier Uhr früh klingelt mein Handy. Mein lieber Enkel, der mich im Stall vertritt, will wissen, was er mit einem Kalb machen soll, das Fieber hat. Ich erkläre ihm die entsprechende Vorgehensweise in diesem Fall, und auch, dass er bei einem möglichen weiteren Anruf bitte die Zeitverschiebung beachten soll! Dann stecke ich mir Stöpsel in die Ohren und schlafe weiter.


Entsprechend unausgeruht stehen wir am Morgen auf und bevor wir zum Frühstück gehen, will Claudia erst die Ameisen-Invasion beseitigen, die ihren Kulturbeutel belagert. Ich gehe schon mal raus, hole zwei Tassen Kaffee für uns und setze mich wieder an den Tisch, an dem wir gestern Abend saßen. Ich sitze mit dem Rücken zur Straße und somit zum Geschehen am Frühstücksbuffet. Es sind erst wenige Gäste auf und auch von Cindy und Bert ist noch nichts zu sehen.


Plötzlich tritt eine ältere Dame an den Tisch heran, legt eine kleine, runde Dose auf den Tisch, genau neben Claudias Kaffeetasse und wendet sich dem Buffet zu. Sie holt sich einen Teller mit Brot und Butter und stellt diesen ebenfalls neben Claudias Kaffeetasse ab. Ihr deutlich jüngerer Begleiter steht etwas unschlüssig daneben. Ich spreche die Frau mit einem höflichen „Guten Morgen“ an und erhalte keine Antwort. Sie blickt nur von oben auf mich herab. Ich weise sie darauf hin, dass hier, mir gegenüber, meine Schwester sitzen wird. Darauf antwortet sie, mehr zu sich selbst als zu mir: „Ich sitze immer an diesem Tisch!“ Ich: „Heute offenbar nicht!“ Ihr Begleiter: „Lass uns halt heute woanders sitzen.“ Und sie, jetzt mit Augenkontakt zu mir in herrischem Ton, mit schweizerischem Akzent: „Ich sitze hier seit vielen Jahren jeweils drei Monate im Jahr!“ Darauf ich wieder ganz gelassen: „Na, dann wird´s ja mal Zeit, Platz zu machen!“


Wutentbrannt schnappt sie ihren Teller und wendet sich einem Tisch im anderen Eck des Hofes zu und ich rufe ihr freundlich hinterher, dass sie ihr Gebiss vergessen hat. Der Mann greift sich dich Dose, die noch auf unserem Tisch steht, und läuft ihr nach. Als sich Claudia schließlich zu mir gesellt, bin ich bester Dinge und sie wundert sich über meine gute Laune, wo ich doch beim Aufstehen noch so zerknittert wirkte. Die Geschichte vom schweizerischen Drachen und seinem Gebiss in der Dose, erheitert auch sie.


Nach dem Frühstück schnappen wir unsere Rucksäcke, stopfen zwei Flaschen Wasser und etwas Obst hinein und machen uns auf, die Gegend zu erkunden. Man könnte über einen Pfad bis nach Monte Trigo laufen, dabei müsste man allerdings 600 m sowohl im Aufstieg als auch im Abstieg überwinden. Der Reiseführer veranschlagt für die einfache Strecke drei Stunden. Zurück ginge es auf gleichem Weg oder man fragt einen Fischer, ob er einen mit dem Boot nach Tarrafal zurückbringt. Wir wollen zumindest einen Teil der Strecke in Angriff nehmen und bei Bedarf einfach wieder umkehren. Das erste Stück des Weges, bis zur Mitte des Dorfes, kennen wir von gestern schon. Hier teilt sich der Weg, rechts geht es nach oben, in den Ortsteil, den wir gestern vom Rand des Hochplateaus aus sehen konnten. Unser Weg führt nach links weiter, an einer etwas schäbigen Hotelanlage vorbei, aus dem Dorf hinaus. Dabei treffen wir auf eine junge Frau, die einen großen Eimer auf dem Kopf trägt und dem Dorfausgang zustrebt. Wir folgen ihr aus Neugierde und kommen so zu ihrem Schweinestall. Das ist hier nicht einfach nur ein ummauerter Quadratmeter Erde, sondern eine kleine runde Hütte mit Strohdach. Auch Kühe werden hier auf diese Art und Weise gehalten. Gleich daneben ist ein etwas größeres Areal eingezäunt und es liegt ein ganzer Berg Zuckerrohrstängel dort. Ich frage die Frau, was mit dem Zuckerrohr gemacht wird, und sie erklärt uns, dass wir hier vor einer Groque-Destille stehen. Das Zuckerrohr wird hier gepresst, wobei es bei diesem Vorgang immer wieder vorkommt, dass ein Arbeiter mit der Hand in die Presse gerät. Sie sagt, es sei eine sehr gefährliche Arbeit.


Ich habe wieder überhaupt keine Schwierigkeiten, mich mit der Frau zu unterhalten. Genau wie gestern Vormittag mit dem Taxifahrer. Mein Spanisch öffnet mir hier den Zugang zu den Einheimischen, obwohl alle immer behaupten, ich müsse eine andere Sprache sprechen, weil sie ja kein Spanisch können.


Es ist heiß heute und die Umgebung bietet keinerlei Schatten. Meist ist der Pfad in gewohnter Manier gepflastert, doch hier und da gilt es, größere Felsbrocken zu überwinden, oder der Weg führt über Kies und Geröll. Einmal teilt sich der Pfad und Claudia läuft rechts weiter. Ich bin zwar für links, folge ihr jedoch. Nach etwa 200 Metern erkennen wir, dass es hier nicht weitergeht und Claudia kehrt um. Als ich ihr folge, kann ich meine Schadenfreude darüber, dass ich mal wieder recht hatte, nicht verbergen. Doch die Strafe dafür folgt auf dem Fuß: Ich achte nicht auf den Weg, stolpere über einen Stein, falle und rutsche auf Hintern und rechtem Unterarm den Pfad hinunter. Als ich mich mühsam wieder aufrapple, habe ich eine ziemlich große, blutige Schramme am Unterarm. Wie gut, dass ich beim Wandern nie ohne Erste-Hilfe-Kit unterwegs bin. Der Arm wird verbunden und die Wanderung geht weiter.


Wir gehen lediglich noch eine gute Stunde auf diesem Weg oberhalb der Steilküste entlang. Immer wieder treffen wir auf Ziegen, die sich ihr kärgliches Futter zwischen den Steinen suchen. Das Wasser ist tiefblau und bildet einen starken Kontrast zum graubraunen Ton der Felsen. Uns zieht es zurück zum Strand und wir treffen wieder zusammen mit den Fischern am „Mar Tranquilidade“ ein. Den Nachmittag verbringen wir teils im schwarzen Lava-Sand liegend, teils auf einem der Liegestühle unter dem schützenden Dach. Ins Wasser traue ich mich zunächst nicht, doch am späten Nachmittag wage ich es doch. Hier direkt vor der Unterkunft schwappen die Wellen nicht gar so sehr an Land. Außerdem kommt man hier auch deutlich schneller in tieferes Wasser und muss nicht so weit hinauswaten. Nach wenigen Metern kann ich bereits schwimmen, bleibe aber immer schön in Ufernähe.



Plötzlich taucht ein etwa kindskopfgroßer Kopf direkt neben mir aus dem Wasser auf. Ich erhasche nur einen flüchtigen Blick darauf, will auch gar nicht näher erkunden, was das für ein Wesen ist, sondern schwimme so schnell es geht ans Ufer. Draußen steht eine Österreicherin und ist ganz aus dem Häuschen. Sie meint, was ich denn für ein unwahrscheinliches Glück hätte! Seit Wochen wartet sie darauf die große, alte Schildkröte zu sehen und ich bin gerade mal einen Tag da und kann sogar mit ihr schwimmen! Na, wenn ich das gewusst hätte!


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11. Februar 2019


Der Hahn hat auch in dieser Nacht ununterbrochen gekräht, obwohl ich ihn gestern Abend noch mit einer riesigen Kakerlake gefüttert habe, die in meinen Rucksack kriechen wollte. Im Strohdach des Hauses lebt übrigens auch etwas, von dem ich gar nicht so genau wissen will, was es ist.


Wir wollen heute den oberen Ortsteil erkunden und brechen gleich nach dem Frühstück, das wir unbehelligt an unserem Tisch einnehmen, auf. Unsere Tischnachbarin hat uns erzählt, dass die Schreck-schraube gestern bis spät in die Nacht hinein mit Bert und seinen Saufkumpanen gebechert hat und sich dabei immer wieder über mich beschwerte. Bert hat es dabei wohl so übertrieben, dass man Cindy anrufen musste, die ihn dann mit einem Einheimischen zusammen nach Hause geführt hat. Wir scheinen hier richtige Außenseiter zu sein und, ganz ehrlich, zu denen wollen wir auch gar nicht gehören.


Der Weg hinauf ist nicht so beschwerlich, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir gehen die Strecke aber auch gemütlich an, machen immer wieder Pause, genießen die Aussicht und die Ruhe. Es ist heute unser letzter Tag. Ab morgen beginnt die Rückreise.


Unter uns im Tal ziehen sich die Felder in Terrassen am Bach entlang. Von oben sieht es aus wie Kresse in der Schachtel. Überall wird gearbeitet. Auch ganz oben gibt es eine Schule, und natürlich eine Zuckerrohrpresse. Bei Google Maps sehe ich, dass es hier irgendwo eine Bar, Restaurant oder Geschäft geben soll und ich navigiere uns dahin. Claudia ist etwas skeptisch, aber wir finden das Geschäft. Es liegt direkt neben einem wunderschönen Sitzplatz unter Bäumen. Der Platz hat rundum Sitzbänke und wirkt wie eine Dachterrasse, von der man einen sagenhaften Blick über den ganzen Berg hinunter bis zum Strand und weit über das Meer zur Nachbarinsel São Vicente hat.


Der Laden ist leider geschlossen, doch unterhalb der Terrasse arbeitet ein Mann an einem Gerät, das Ähnlichkeit mit einem Webstuhl hat. Ich spreche ihn an und frage, ob man hier im Laden etwas zu trinken bekommen kann. Daraufhin legt er seine Hände trichterförmig an den Mund und ruft ins Tal hinunter. Von unten kommt Antwort und der Weber teilt uns mit, dass der Ladenbesitzer in etwa einer halben Stunde da sein wird. Wir haben Zeit und ganz so groß ist der Durst noch nicht.


Nach etwa 25 Minuten treffen immer mehr Einheimische am Laden ein und fünf Minuten später kommt auch der Besitzer und öffnet. Es kommt anscheinend nicht oft vor, dass sich Touristen hierher verirren. Dementsprechend sind wir eine Attraktion für die Bewohner des oberen Ortsteils. Da ist niemand dabei, der einen größeren Einkauf tätigt. Sie kaufen lediglich eine Cola und setzten sich damit nach draußen auf die Bänke. In null-komma-nichts sind wir von Einheimischen umringt, die zuschauen, wie wir unsererseits eine Cola trinken. Sind die Menschen eben noch ihrer Arbeit nachgegangen, scheinen sie jetzt alle Zeit der Welt zu haben, um mit uns hier zu sitzen. Zeit hat auf Cabo Verde eine andere Bedeutung als bei uns. „No Stress“ ist hier das allgegenwärtige Motto! Man versucht, mit uns ins Gespräch zu kommen und ein paar Brocken verstehe ich wieder. Der Weber unterhalb der Terrasse macht Jalousien. Den Ladenbesitzer haben wir von der Feldarbeit weggeholt. Mit Händen und Füßen verständigen wir uns und wo wir nicht mehr weiterkommen, hilft ein einfaches Lächeln. Morabeza! Lebensfreude! Gastfreundschaft! Offenheit! Es macht weitaus mehr Spaß, hier unter diesen freundlichen Menschen zu sitzen, als unten in der Anlage die Prahlerei der europäischen Gäste zu hören. Als wir uns verabschieden löst sich die Gesellschaft wieder auf und ein jeder kehrt an seine Arbeit zurück.


Bei unserer Rückkehr sitzen Cindy und Bert bereits wieder mit den üblichen Verdächtigen am großen Tisch und die Groque-Flasche geht rundum. Als wir den Hof betreten, fragt Bert, wo wir denn herkommen und was wir eigentlich den ganzen Tag machen. Man würde uns nie sehen. Weder in der Anlage noch am Strand. Als wir von unserem heutigen Ausflug und unserem Kaffee- bzw. Cola-Plausch an dem schönen Dorfplatz im oberen Ortsteil erzählen, fragt er voller Unverständnis, wo es denn da oben einen Dorfplatz und einen Laden gibt. Wir fassen es nicht: der wohnt seit Jahren hier im Dorf, kennt aber offenbar nur den Weg von seiner Behausung zum „Mar Tranquilidade“ und, wenn’s gut geht, zurück.


Der späte Nachmittag gehört wieder dem Strand und dem Sun-Downer und beim heutigen Bad im Meer erschreckt mich keine noch so große Meeresschildkröte. Beim Abendessen bekommen wir mit, dass die schweizerische Schreckschraube morgen nach Porto Novo zum Zahnarzt will. Cindy soll ihr das Taxi bestellen. Doch Cindy kommt unverrichteter Dinge zurück und erklärt, dass das Taxi bereits von zwei deutschen Frauen aus dem „Mar Tranquilidade“ für eine Tour nach Porto Novo gebucht ist. Die beiden schauen zu uns herüber und tuscheln miteinander. Wahrscheinlich können sie sich nicht so recht vorstellen, dass wir uns ein Taxi überhaupt leisten können. Schließlich kostet es 70 € von hier nach Porto Novo – zehnmal so viel wie der Aluguer. Ich grinse in mich hinein! Claudia schaut mich an und sagt: „Auf keinen Fall!“


Cindy zögert noch, kommt dann aber zu uns an den Tisch und fragt, ob wir für morgen ein Taxi bestellt hätten. Ich bejahe dies. Dann will sie wissen, wann und wie ich das denn reserviert habe. Ich sage, dass ich das gleich bei der Herfahrt mit dem Taxifahrer ausgemacht habe, indem ich ihn freundlich fragte. Da will sie wissen, ob ich denn Portugiesisch spreche und als ich sage: „Nein, aber Spanisch.“, sagt sie: „Aber das versteht hier doch keiner!“ Kommt wahrscheinlich auf den Ton an! Oder auf meinen seltsamen Akzent!


Sie geht zur Schreckschraube zurück und dieser ist es nun sichtlich unangenehm, dass sie uns bitten muss, sie morgen mitzunehmen. Das tut sie dann auch nicht, sondern überlässt es Cindy. Claudia schüttelt zunächst den Kopf und Cindy meint, die alte Dame könne doch nicht auf der Pritsche vom Aluguer Platz nehmen. Sie würde selbstverständlich auch ein Drittel der Kosten übernehmen. Claudia überlegt kurz und sagt dann: „Die Hälfte!“ Nun bequemt sich die „Alte Dame“ doch an unseren Tisch und meint, wir wären dann ja drei Personen und da wäre es gerecht, dass jede von uns ein Drittel zahlt. Da meint Claudia, ich hätte sie zu dieser Taxifahrt eingeladen, weil sie Geburtstag hätte, und sie selbst würde gar nichts zahlen. Es wäre daher nur gerecht, wenn sie die Hälfte übernimmt. Es würde ihr aber natürlich auch freistehen, mit dem Aluguer zu fahren. Zähneknirschend gibt sie nach. Wobei, ihr tun die Zähne ja weh. Da hat sie bestimmt nicht damit geknirscht.


12. Februar 2019


Pünktlich in der Früh stehen wir mit unserem Gepäck vor dem Tor. Unsere Sponsorin kommt erst als das Taxi eintrifft und der Fahrer ist nicht begeistert davon, dass sie mitfährt, weil er dadurch unser Gepäck hinten auf die Pritsche legen muss, wo es dem Staub schutzlos ausgesetzt ist. Sie will vorn einsteigen, doch Claudia behauptet, dass ich vorn sitzen müsse, weil ich sonst das ganze Auto vollkotze. Meine Schwester kann genauso hämisch sein wie ich. Wir haben eben die gleichen Gene!


Die Fahrt zieht sich wieder stundenlang hin und erst als wir oben am Aussichtspunkt die gepflasterte Straße erreichen, kommen wir etwas schneller voran. (Anm. 2023: Inzwischen ist die Straße fertiggestellt und die Fahrt von Tarrafal de Monte Trigo bis Porto Novo dauert nur noch eineinhalb Stunden.) Wir setzen die Lady mit ihrem Gebiss-Döschen beim Zahnarzt ab und sie drückt Claudia 50 € in die Hand. Claudia sagt Danke und behält das Wechselgeld.


Nun, vom Rest unseres Urlaubs gibt es jetzt nicht mehr viel zu berichten. Die Überfahrt nach Mindelo verläuft reibungslos. Im Hotel Avenida habe ich wohl versehentlich statt eines Doppelzimmers eine ganze Suite gemietet, die aber das gleiche kostet. Wir bringen nur das Gepäck hoch und schlendern dann nochmals durch die Stadt. Dabei finden wir das deutsche Konsulat und einen wunderschönen Sandstrand. Doch zum Baden ist es uns bereits zu spät und wir lassen unseren Urlaub bei einem letzten Abendessen mit Wahoo ausklingen. 

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