Blog-Layout

Im Gleichgewicht

Im April startete bei Kerstin ein neuer Kurs. Er hieß "Im Gleichgewicht" und obwohl ich ja eigentlich krankgeschrieben war, hatte Regina mich angemeldet. Sie hatte gedacht, in dem Kurs ginge es hauptsächlich um gymnastische Übungen für uns Hunde. So wie die Übungen aus dem Gymnastricks-Buch. Da hatte sie sich aber ganz ordentlich getäuscht! Sie hätte die Kurs-Beschreibung vorher mal besser lesen sollen. Da stand nämlich "Übungen für Hund UND Frauchen" und es ging auch mehr um unser seelisches Gleichgewicht.


Zum ersten Kursabend durften, oder besser gesagt mussten, wir Hunde gar nicht mitkommen. Da hatten Regina und die drei anderen Frauchen zwei Stunden Theorie. Für uns Hunde ging es erst am zweiten Kursabend los. Wir fuhren erst nach der Stallarbeit zum Unterricht, also viel später als sonst. Dafür dauerte die Fahrt nicht ganz so lange. Ich staunte dann auch nicht schlecht als wir dort ankamen. Ich musste zwar erst noch im Auto bleiben, konnte aber durch die Heckklappe deutlich sehen, dass dies nicht der Parkplatz der Hundeschule war.


Regina öffnete die hinteren Fenster etwas und verschwand dann mit Kerstin und den anderen Frauchen in einer großen Halle. Durch die geöffneten Fenster kam Luft ins Wageninnere und mit der Luft drang ein mir gut bekannter Duft mit ein. Es roch nach Pferd! Wieso waren wir hier bei Pferden? Wir hatten zuhause auch mal Pferde gehabt aber Regina hatte sie irgendwann verschenkt, weil sie ihre wenige freie Zeit lieber mit mir verbringen wollte. Ihr Pferd und ihr Pony wohnen seitdem bei Verwandten von uns.


Die Halle, in der die Frauen verschwunden waren, war eine Reithalle. Es dauerte sehr lange, bis wir endlich auch mit rein durften und ich fragte mich, was die da so lang gemacht hatten, ohne uns. Am nächsten Kursabend fand ich aber des Rätsels Lösung. Da ging Kerstin mit unseren Frauchen nämlich nicht in die Halle, sondern sie blieben draußen auf dem Parkplatz und wir Hunde konnten nun sehen, dass sie irgendwelche Übungen machen mussten. Sie liefen alle durcheinander, blieben dann dicht voreinander, nebeneinander oder hintereinander stehen und rührten sich nicht mehr. Schwierig war das na nun wirklich nicht. Da hatten wir schon ganz andere Aufgaben zu bewältigen.


Aber erst durften wir uns mal in der Reithalle umsehen, was ich auch ausreichend tat. Ich war vorher noch nie in einer gewesen und fand das natürlich sehr interessant. Und damit es nicht nur nach Pferden roch in dieser riesigen Halle, pinkelte ich gleich mal in den Bodenbelag im Eingangsbereich. Es sollte ruhig jeder wissen, dass ich hier war! Außer mir gab es noch einen Border Collie, Luke. Der gehört eigentlich Helen, einer der Trainerinnen der Schule. Er war aber nicht mit seinem Frauchen da, sondern mit einem Ersatz-Frauchen. Sowas hab ich nicht! Ich bin immer auf Regina angewiesen und wenn sie keine Zeit für mich hat, weil sie arbeiten muss, dann wird eben nix unternommen.


Es gab noch einen Aussie, dessen Namen ich vergessen habe. Der bellte immer sehr viel und konnte sich anfangs nicht so gut konzentrieren. Und er musste während des ganzen Kurses einen Maulkorb tragen.


Und dann war da noch Haouli! Ich hoffe, ich hab das jetzt richtig geschrieben. Haouli ist eine Tschechoslowakische Wolfshündin und eine blöde Kuh! Wir beide haben uns gesehen und wussten sofort, dass wir uns nicht mögen. Ich konnte sie auf den ersten Blick nicht ausstehen und sie mich auch nicht. Ich weiß, dass Regina es nicht mag, wenn ich mit anderen Hunden einen Streit anfange. Ich hab auch keinen angefangen. Aber ich kann Hunde, die ich nicht mag, so provozierend anschauen - Stichwort Border-Blick - dass SIE mit MIR Streit anfangen. Und dann wird man sich ja wohl wehren dürfen! 😉


Der Kurs ging insgesamt über zehn Wochen. In jeder Woche fuhren wir jetzt an einem Abend in diese Reithalle. Es lief immer gleich ab. Wir Hunde blieben erst im Auto, die Frauchen machten ihre seltsamen Übungen, mal in der Halle, mal auf dem Parkplatz, und redeten dann stundenlang über das, was sie bei diesen Partnerübungen empfunden hatten. Dann wurden wir aus den Autos geholt und gingen mit in die Halle. Ich pinkelte jedesmal in den Eingangsbereich, sah dann Haouli provozierend an, dann bellten wir uns an und Haoulis Frauchen hatte immer alle Hände voll zu tun, sie daran zu hindern, auf mich loszugehen. Sie hatte sie aber ganz sicher an der Leine und außerdem trug Haouli auch einen Maulkorb. Mir konnte also gar nix passieren!


In der Halle war fast immer ein Parcour aufgebaut. Aber keine Sprünge und Stangen wie bei Sarah auf dem Hundeplatz, sondern Kisten, Holzstücke, Wackelbretter, Gummikissen, halbe Igelbälle, Joghurtbecher, Eimer, Blumentöpfe, Leitern und schließlich sogar ein Stelzengerät. Das ist das Ding, das man oben auf dem Foto sehen kann. Ich hatte bei Kerstin auch schon einen SQR-Dog-Kurs besucht und dabei gelernt, auf alles draufzusteigen, was man mir vor die Füße legt. Daher nahm ich an, dass wir auch auf die ganzen Dinger, die da rumlagen draufsteigen sollten und wollte gleich damit anfangen. Aber Kerstin hatte was dagegen!


Wir mussten immer erst warten bis unsere Frauchen uns aufforderten etwas zu tun, wobei während der ganzen Stunde fast nicht geredet wurde. Unsere Frauchen sollten uns körpersprachlich führen. Dass da nur Quatsch dabei herauskommen würde, hätte Kerstin eigentlich wissen müssen! Frauen, die nicht reden dürfen, sich aber trotzdem verständlich ausdrücken sollen! Wie soll das denn gehen? Leckerle gab es übrigens auch keine, und das, wo wir uns noch nie so hatten anstrengen müssen, zu verstehen, was unsere Frauchen von uns wollten!


Wir wurden dann per Handzeichen gebeten, auf oder in die Kisten zu steigen. Man stellte uns mit allen vier Füßen in oder auf vier Joghurtbecher und ließ uns dann eine Weile darin oder darauf stehen. Ich hatte schnell verstanden, was ich machen sollte und wollte wieder gleich loslegen. Aber nein! Mir wurde Fuß für Fuß auf diese Becher gestellt. Manchmal setzten wir uns auf den Boden und unsere Frauchen berührten uns am ganzen Körper. Das fand ich toll! Ich wurde ganz ruhig dabei. Regina saß allerdings nicht auf dem Boden, sondern auf einer Kiste. Sie ist ja schon etwas älter und kommt nicht mehr so leicht vom Boden hoch.


Oft wurden auch Partnerübungen gemacht. Da mussten immer zwei Frauchen mit einem Hund arbeiten. Die anderen Hunde hatten derweil Pause. Das lief dann meist so ab, dass Luke und ich irgendwo in der Reihalle geparkt wurden und die beiden Maulkorbträger waren zuerst dran. Wenn sie fertig waren, brachten ihre Frauchen sie ins Auto und Luke und ich waren an der Reihe. Luke und ich sind eben schon ein bisschen weiter in der Ausbildung und haben gelernt, da liegenzubleiben, wo man uns ablegt. Egal, wie lange es auch dauert!


Einmal wurden wir bei diesen Partnerübungen auf eine hohe Kiste geschickt und sollten da stehen bleiben. Unsere Frauchen mussten mit ungewöhnlichen Bewegungen um die Kiste herumgehen. Gebeugt, schleichend, schnell, hüpfend, wie auch immer, während das Partnerfrauchen diese Bewegungen genau nachmachen musste. Haouli wollte erst nicht auf der Kiste stehenbleiben, sondern zu ihrem Frauchen gehen. Plötzlich bemerkte sie aber, dass Regina die Bewegungen von ihrem Frauchen nachmachte. Ab dem Moment stand sie stocksteif da und ließ mein Frauchen nicht mehr aus den Augen. Sie fand das wohl voll irritierend. Als ich dann später an der Reihe war beobachtete ich zwar auch, was die beiden da für einen Tanz vollführten, aber es brachte mich jetzt nicht gerade aus der Fassung. Ich kenne mein Frauchen schließlich gut genug um zu wissen, dass sie manchmal verrückte Dinge tut, die ein normaler Hund nicht ganz nachvollziehen kann. Da muss man einfach nachsichtig sein!


Es war jedenfalls ein schöner Kurs. Das mit der körpersprachlichen Führung ist zwar noch ausbaufähig, da ist noch viel Luft nach oben, aber wenn wir Hunde uns konzentrieren und ein bisschen anstrengen, dann verstehen wir langsam schon, was sie von uns wollen. Ich fand es schade, dass der Kurs irgendwann vorbei war. Gerade als ich auf dem Stelzengerät und über die Leiter laufen konnte, hörten wir auf mit den Kursabenden.


Inzwischen war Regina zwar nochmal mit mir dort in der Reithalle, aber es waren andere Hunde mit ihren Frauchen dabei. Hat aber trotzdem viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass wir ab und zu wieder hinfahren und weiterhin auf Leitern steigen, Türme aus Kisten bauen oder mit unseren Frauchen auf dem Wackelbrett wackeln.

Share by: